Wien – "Die Politik muss sich jetzt endlich entscheiden, ob sie die 24-Stunden-Pflege will oder nicht. Sie schwindelt sich seit Jahren um diese Frage herum", kritisiert der selbsternannte Pflegeaktivist Klaus Katzianka. Er fordert von der neuen Regierung "endlich Klarheit in der Pflegefrage".

Den Betroffenen, die einer Pflege bedürfen, müsse die Möglichkeit gegeben werden, frei zu entscheiden, ob sie zu Hause gepflegt werden wollen oder in einem Heim, sagt Katzianka, der selbst seit seiner Geburt auf ständige Pflege angewiesen ist und seit Jahren in der Steiermark einen privaten Pflegedienst betreibt.

Gegenwärtig werden laut Katzianka rund 90 Prozent der Pflegebedürftigen in Heimen betreut, zehn Prozent zu Hause. Dort sind rund 60.000 überwiegend weibliche Betreuungskräfte tätig. Sie kommen zumeist aus der Slowakei und Ungarn, bisweilen auch aus Griechenland oder Polen und werden von privaten Agenturen oder den großen Trägerorganisationen wie Caritas, Volkshilfe, Hilfswerk, Diakonie und Rotes Kreuz an Pflegebedürftige vermittelt.

Betreuerinnen nach Österreich gelockt

Für die private 24-Stunden-Betreuung müssten in Zukunft, wie es die Volksanwaltschaft fordere, strenge und verbindliche Qualitätsmaßstäbe eingeführt werden, die ebenso streng kontrolliert werden müssen, sagt Katzianka zum STANDARD.

Die Volksanwaltschaft hatte jüngst über "mangelnde Qualifikation des Betreuungspersonals und Vernachlässigungen" geklagt, Opfer seien jedoch auf beiden Seiten zu finden, sagte Volksanwalt Günther Kräuter. "Die Großteils weiblichen Pflegekräfte werden oft unter falschen Voraussetzungen nach Österreich gelockt und nicht selten von Agenturen ausgenutzt." Daher müssten schärfere Kontrollen durchgeführt werden.

Qualitätssiegel als Schutz vor "problematischen Anbietern"

Derzeit sind in Österreich 763 Pflegeagenturen gelistet. Die Volksanwaltschaft schlägt für sie ein staatliches Qualitätsgütesiegel vor. So könnten "problematische Anbieter vom Markt gedrängt werden. Das ist absolut zu unterschreiben", sagt Katzianka.

"Ich denke, dass auch eine bessere Kooperation mit den Hausärzten sinnvoll wäre, die unangemeldet regelmäßig Kontrollen in den Haushalten durchführen, wo private Pflegerinnen tätig sind", sagt Katzianka.

"Jeder soll selbstbestimmt entscheiden"

Natürlich sei die Betreuung in Heimen vor allem in hohen Pflegestufen absolut notwendig, nur gehe es darum, "dass jeder und jede selbst entscheiden kann, will ich ins Heim oder will ich zu Hause bleiben. Jeder soll selbstbestimmt über sein Schicksal entscheiden können", sagt Katzianka. Dazu müssten die Betroffenen aber auch finanziell in die Lage versetzt werden. Was bedeutet: Das Pflegegeld müsse erhöht werden.

Wenn ein Teil jener, die derzeit ungewollt in Heimen betreut werden, zu Hause gepflegt werden könnte, würde das die allgemeinen Kosten drastisch senken, sagt Katzianka, zumal die Pflege in Heimen nicht zuletzt aufgrund der Infrastruktur- und Overheadkosten doppelt so teuer sei wie zu Hause. "Unterm Strich könnten, wenn ein Teil in die Hauspflege entlassen wird, jährlich 1,5 Milliarden Euro eingespart werden", glaubt Katzianka. (Walter Müller, 7.12.2017)