Auch im Umfeld der ehrwürdigen schwedischen Akademie gibt es vermehrt Berichte über sexuelle Übergriffe.

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Stockholm – Ende November hat die schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter" mit einer groß angelegten MeToo-Enthüllung einiges Aufsehen erregt: 18 Schriftstellerinnen aus dem skandinavischen Land erzählten, vom künstlerischen Leiter eines Literaturclubs im Umfeld der ehrwürdigen schwedischen Akademie sexuell belästigt und attackiert worden zu sein. Vier der Frauen wurden mit Portraitfotos gezeigt, von den übrigen 14 zeigte das Blatt den Hinterkopf. Sie wollten zumindest nicht sofort erkannt werden. Die Übergriffe und Attacken geschahen offenbar im Verlauf von mindestens 20 Jahren und waren häufig mit psychischen Druck und Versprechungen auf einen positiven Karriereverlauf verknüpft. Der Club vergibt immer wieder Förderungen an junge Literaten und Literatinnen. Die Frauen beschrieben den Mann im übrigen als machtbesessen und besonders aggressiv.

Die Zeitung nannte den Namen des Herren nicht. Seither wird Jean-Claude Arnault verdächtigt, auch Medien wie die "Neue Zürcher Zeitung" bestätigen das. Der aus Frankreich stammende Regisseur und Fotograf führt diesen Club. Arnault ist gut vernetzt und ist so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt der Stockholmer Kulturszene. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Institution mit uralten Ritualen

Pikant an der Geschichte: Arnault ist mit der Dichterin Katarina Frostenson verheiratet, die Mitglied der Akademie ist. Deren Rat "De Aderton" (Die 18) besteht aus 18 Literaten und Literatinnen, die auf Lebenszeit in das Gremium gewählt werden, das alljährlich auch den Literaturnobelpreis vergibt – man erzählt sich, dass es im Umfeld des Clubs auch schon vor der offiziellen Bekanntgabe des Nobelpreises eindeutige Hinweise auf den Namen des künftigen Preisträgers gegeben haben soll.

Wie es nun weitergeht, ist unklar: in der Akademie untersucht man die Verbindungen zum Club, heißt es. Frostenson könnte, selbst wenn sie wollte, nicht zurücktreten. Wer nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen will, bleibt fern. Sein oder ihr Sitz bleibt aber frei und wird nicht nachbesetzt.

Der Protest dreier 18er-Mitglieder gegen die fehlende Unterstützung von Salman Rushdie, als dieser 1989 vom Iran zum Tode verurteilt und ein Kopfgeld ausgesetzt wurde, endete damit, dass alle drei nicht mehr an den Sitzungen teilnahmen. Zwei von ihnen starben mittlerweile und wurden nachbesetzt. Eine Institution mit uralten Ritualen ist ausgerechnet zur Nobelpreis-Verleihung in die Krise geraten. (Peter Illetschko aus Stockholm, 9.12.2017)