Gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich steht ab 1. Jänner 2019 die Ehe offen.

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Das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben. Zudem öffnete er die Eingetragene Partnerschaft für verschiedengeschlechtliche Paare. Beides gilt ab 1. .Jänner 2019. Die Freude über das Urteil hält an, ist jedoch von Sorge begleitet.

In der ÖVP war man sich schon immer und ist man sich noch immer uneinig, erkennt das Urteil aber an. Die FPÖ sieht das Urteil kritisch und will Ungleiches nicht mit Gleichen vermischen – als handelte es sich bei homosexuellen Männern und Frauen um Menschen zweiter Klasse. Die Adoption ist seit 2016 möglich, konservative und kirchliche Kreise argumentieren trotzdem die Einzigartigkeit der heterosexuellen Ehepaare über die Kindererziehung – fahrlässig, an der Realität vorbei. Der Kampf war zäh: Obwohl bereits mehr als Zweidrittel der österreichischen Bevölkerung für eine Öffnung der Ehe für alle waren, blieb die Politik ratlos zwischen den Lagern zurück. Mit der Schaffung der Eingetragenen Partnerschaft 2010 wurden zig diskriminierende Unterschiede festgelegt, wovon viele durch Höchstgerichtsurteile aufgehoben wurden. Die ÖVP blockierte weiter und der SPÖ gelang es nicht sich durchzusetzen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hätte die Ehe schon vor Jahren öffnen können. Warum jetzt?

Zweifelhafte Vorbilder

Dass Polen und Ungarn vom Europarat für Homophobie gerügt worden sind, wird niemanden überraschen. Eine Ehe für alle sind dort kühne Wünsche einer Generation, deren Eltern noch im Realsozialismus groß wurden und welche jetzt selbst oft anderswo in Europa lebt. Nachdem die PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) in Polen 2015 37,6 Prozent in der wählenden Bevölkerung (lediglich 49,98 Prozent) erlangte, blieb kein Stein auf dem anderen. Begleitet von Protesten gab es eine Medienreform und zahlreiche Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Die Ausrichtung in der Bildungspolitik wurde geändert, der Verfassungsgerichtshof zum Feind erklärt. Ein Kaffeekränzchen unter Freunden sei dieser Verein, meinte die PiS-Klubsprecherin Beata Mazurek.

Begonnen hatte es damit, dass die vorherige Regierung PO (Bürgerplattform) fünf Richter vorgeschlagen hatte. Mit dem Argument, zwei davon wurden vorzeitig berufen, bestätigte Präsident Andrzej Duda alle fünf nicht in ihrem Amt. Der Verfassungsgerichtshof diente als Schlüssel zur absoluten Macht, weil er machtlos wurde. Hinzukam, dass folgende VfGH-Urteile von der Premierministerin Beata Szydło nicht veröffentlicht wurden. Die Regierungspartei berief schlussendlich selbst jene fünf Richter, samt Vorsitz. Diesen Donnerstag erklärte die polnische Premierministerin ihren Rücktritt, am Freitag wurde als Nachfolger Mateusz Morawiecki bestimmt. Aufhorchen ließ Morawiecki, der jetzt Vize- wie Premierminister in einem ist, bereits mit der Aussage, dass er die nationale Sicherheit über das geltende Recht stellt. Am selben Tag fand die dritte Lesung der umstrittenen Reform der Höchstgerichte im Parlament statt. Nach der Abstimmung sah nicht nur die Opposition die Gewaltenteilung in Gefahr. Vom schwarzen Tag in der polnischen Demokratie, von Macht- und Kurswechsel ist die Rede, die Gerichte seien jetzt zur Gänze in der Hand der PiS. Der neu besetzte VfGH soll als erste Tat die Versammlungsfreiheit einschränken.

Starke Demokratie statt Diskriminierung

In Österreich ist die Sorge um eine Totalentmachtung des VfGH unbegründet. Zurück geht es nicht – auch ein anders besetzter Gerichtshof kann von dem Erkenntnis betreffend Eheöffnung nicht so einfach abweichen. Die Rechtskraft von Entscheidungen, also die Bindung aller an ein Urteil, ist Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit. Eine Abweichung bedingt neue Bedenken gegen die dann geltende Regelung, die gegen die jetzige Aufhebung sprechen. Das ist schwer zu argumentieren, aber nicht ausgeschlossen. Das Parlament könnte sich auch mit einem Verfassungsgesetz über die Höchstgerichtsentscheidung hinwegsetzen. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit scheint aber bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in dieser Frage realpolitisch ausgeschlossen.

Die historischen wie aktuellen Unterschiede zwischen Polen und Österreich und die daraus resultierende Stärke der Gerichte bestimmen zudem den Akzeptanzgrad in der breiten Gesellschaft. Außerdem herrscht beim VfGH in Österreich ein kollektives Selbstbewusstsein – auch wenn zwei Richter und der Präsident mit Jahresende ausscheiden und die Nachbesetzung zum politischen Kräftemessen wird, kann Polen für die zukünftige Regierung hier schwer Vorbild sein.

Kurz: Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit gäbe es auch in einem Österreich als Visegrád-Staat und Schwule und Lesben würden Hochzeit feiern. Trotzdem kann es sein, dass wir uns wundern werden. Bei der nächsten Regierung ist Wachsamkeit oberstes Gebot, vor allem wenn die Stimmung in Ost- wie Westeuropa gleichermaßen und weiterhin kippt, während die Europäische Union wie schon bei Ungarn und Polen auf der Zuschauertribüne sitzen bleibt. (Ewa Dziedzic, 10.12.2017)