Gesanglich makellos: Krassimira Stoyanova sang an der Staatsoper zum ersten Mal die Rolle der Marschallin im "Rosenkavalier".


Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – Wenn zu Neujahr im Musikverein der große Strauß-Tag mit rhythmischem Geklatsche begangen wird, werden die Strauss-Tage an der Staatsoper schon beendet sein. Bis 21. Dezember dauern sie noch an, innert fünf Wochen wird man sechs Opern in 20 Vorstellungen gespielt haben. Als vorletzte Produktion wurde am Sonntag Der Rosenkavalier gezeigt: Just jene Oper also, bei der sich der potente Tonschöpfer erlaubt hatte, Walzer im Stile der Strauß-Familie einzuflechten. Und das, obwohl sein genialer Kompagnon Hugo von Hofmannsthal den komödiantisch-amourösen Handlungsgang der Oper im Wien von anno 1740 angesiedelt hatte – zu einer Zeit also, in der es den Walzer so noch gar nicht gab.

Die meist dem Baron Ochs auf Lerchenau zugeschriebenen Dreivierteltakter präsentierte das Staatsopernorchester klangmächtig, wenn auch nicht übermäßig wienerisch. Zudem hörte man dem Spiel der Musiker öfter an, wie fordernd die überquellende, erzählfreudige, hyperaktive Partitur des Werks ist. Der sympathische Adam Fischer erinnerte in den ersten Takten an einen Springteufel; ein Aktionismus, der den nicht überschwänglichen Start hektisch und schrill machte. Ansonsten schlug der ungarische Dirigent oft nur den Takt, was aber etwa beim vertrackten Beginn des dritten Aufzugs keine schlechte Entscheidung war.

Weich-glänzender Sopran

Krassimira Stoyanova sang ihre erste Marschallin im Haus am Ring, die Kammersängerin tat es auf eine darstellerisch souveräne, gesanglich makellose Weise, mit weich-glänzendem Sopran. Überirdisch schön ihre Eröffnung des Schlussterzetts ("Hab's mir gelobt ..."). Erin Morley gab eine liebreizende Sophie, ihr schlanker Sopran fühlte sich im kecken Zickzack wohler als auf der langen Geraden. Stéphanie Houtzeel war (als Octavian) ein verlässlicher Blumenbote, aber mit strapazierten Spitzentönen. Das Wienerisch von Adrian Eröds Faninal (anstelle des erkrankten Jochen Schmeckenbecher) war formidabel. Und Peter Rose gab einen vokal eher dezenten, darstellerisch brillanten Ochs.

Frappierend allerdings, wie das Publikum heutzutage ein solch weises gesellschaftliches Panoptikum wahrnimmt. Nur so nebenbei: Die junge Sitznachbarin ist in der ersten Viertelstunde der Oper damit beschäftigt, die vor Beginn im Stiegenhaus geschossenen Fotos auf sozialen Plattformen zu platzieren. Gleich daneben erzählt eine Mutter ihrer quengelnden kleinen Tochter eine Gutenachtgeschichte. Doch wie meint die lebenskluge Marschallin im ersten Aufzug: "Was erzürn' ich mich denn? 's ist doch der Lauf der Welt." Begeisterung. (Stefan Ender, 11.12.2017)