Ohne Ortskenntnisse führt die Supertrail Map tatsächlich zu wahren Perlen, wie dieser flowigen Abfahrt am Eingang des Ötztales.

Foto: Steffen Arora

Sautens – Mountainbiker kennen das Problem. Man hat endlich Urlaub und will diesen genießen, am besten indem man neue Trailreviere für sich entdeckt. Doch die paar freien Tage im Jahr wollen bewusst investiert werden. Denn nichts ist ernüchternder, als wenn man die Hälfte der wertvollen Freizeit mit der Suche nach potenziellen Trails verbringt, dabei aber nichts als Forstautobahnen oder unerschlossenes Gelände entdeckt. Die Supertrail Map verspricht Abhilfe. Auf Basis topografischer Karten weist sie alle Informationen aus, die man zur Planung seines Bike-Urlaubes benötigt – so das Versprechen.

Nach einem Aufenthalt in Südfrankreich, der biketechnisch allein durch die Bekanntschaft mit einem lokalen 17-jährigen Downhill-Aficionado gerettet wurde, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie frustrierend es ist, sich in einem vermeintlich tollen Bikerevier zu bewegen, aber nicht zu wissen, wo man fahren kann und soll. Ein Produkt, das dabei Abhilfe verspricht, ist die Supertrail Map. Die wurde und wird vom Tiroler Stefan Becker mitproduziert. Als mich der passionierte Mountainbiker, der ebenfalls in Innsbruck lebt, kontaktierte und mir seine Karte schmackhaft machen wollte, entstand die Idee, diese einem Praxistest zu unterziehen.

Tirol, heuer, Mitte November. Das Foto entstand auf rund 1.000 Meter Seehöhe. Der Trail war die Alternative zur Asphaltstraße, aber ohne Karte oder Ortskenntnis schier unmöglich zu finden.
Foto: Steffen Arora

Auf ins unbekannte Terrain

Die Übungsannahme war denkbar einfach. Ausgestattet mit der Supertrail Map wage ich mich in ein mir bislang nicht bekanntes Gebiet. Es gilt, in den wenigen zur Verfügung stehenden Stunden möglichst viele und reizvolle Trails zu entdecken. Das Ziel der Reise war schnell gefunden: das vordere Ötztal rund um Sautens. Am Vormittag ging es los, die Karte im Gepäck und zwei brandneue Scott E-Genius Fullys als fahrbare Untersätze – schließlich sollte es trotz knapper Zeitressourcen eine beachtliche Runde werden.

Am Parkplatz angekommen, offenbarte sich sofort der Vorteil der analogen Version der Supertrail Map gegenüber ihrem digitalen Pendant. Denn Mitte November kann es bereits empfindlich kalt sein, und die Lebensdauer eines Smartphone-Akkus sinkt bei derartigen Bedingungen rapide. Als Fan von Landkarten lautete mein Plan ohnehin, die Papierversion zu nutzen.

"Trailinventur für Mountainbiker"

Die Karte selbst ist im Maßstab 1:50.000 gehalten. Richtig gefaltet, passt der für die Tour relevante Teil so kommod in die Jackentasche. Basierend auf einer herkömmlichen Wanderkarte, weist die Supertrail Map alle für Mountainbiker wichtigen Zusatzinfos aus. Die Wege sind farblich in sechs fahrtechnische Schwierigkeitsgrade unterteilt. Von gelb für "sehr einfach" bis hin zu schwarz, "sehr hohe Anforderungen an das Können", oder grün: "Schieben oder Tragen erscheinen sicherer oder sinnvoller". Ist eine derart eingefärbte Linie durchgehend, so bedeutet das, der Weg ist nur abwärts befahrbar. Eine gestrichelte Linie weist uphill-taugliche Trails aus.

Die Legende wird durch Piktogramme ergänzt, die Besonderheiten für Mountainbiker ausweisen. Diese reichen von Trinkgelegenheiten über schöne Aussichtspunkte bis hin zu Aufstiegshilfen, die Räder transportieren. Auch ausgewiesene Fahrverbote werden mittels Piktogrammen dargestellt. Ein heikles Thema, wie der Bericht über das Tourenportal des Vereins Upmove vor zwei Wochen gezeigt hat. Becker erklärt, dass er sich mittels Disclaimer absichert. So ist in jeder Supertrail Map vermerkt, dass die Karte nicht als Tourenempfehlung zu verstehen sei: "Wir bieten eine Trailinventur für eine Region aus Sicht des Mountainbikers." So wird auch auf explizite Fahrverbote hingewiesen. Allerdings bleibt es dem Kartennutzer überlassen, sich daran zu halten.

Man sollte eine gewisse Liebe für Origami mitbringen. Analoges Kartenmaterial hat seine Eigenheiten. Dafür ist man nicht auf Akkuleistung und Internetzugang des Handys angewiesen.
Foto: Steffen Arora

Man muss Karten mögen

Kaum losgefahren, erweist sich das Testobjekt als Schatzkarte. Zuerst führt die gewählte Route durchs Sautener Forchet. Über wunderhübsche Trails, die für E-Bikes wie geschaffen sind, geht es im gemütlichen Auf und Ab ins Ötztal hinein. Die Karte ist nicht für E-Bikes ausgelegt, das erklärt, warum der als schwieriger Anstieg gekennzeichnete Kreuzweg mit Motor kaum merkliche Anstrengung verursacht. Überraschend ist, dass tatsächlich jeder noch so kleine Steig auf der Karte vermerkt ist. Becker erklärt, dass die Macher der Supertrail Map sehr aufwendig wirklich jeden eingezeichneten Trail mindestens einmal selbst befahren haben.

Kurz vorm Piburger See wird es jedoch unübersichtlich. Eine Wegbaustelle und ein offenbar jüngst um einen Zubau gewachsener Bauernhof sorgen für Verwirrung. Doch dank der Höhenlinien ist die Orientierung im Gelände mit ein bisschen Kartenerfahrung kein Problem. Hinter dem Bauernhaus versteckt sich der Einstieg in einen wunderschönen Trail, der hinab zum Bachbett und in weiterer Folge nach Sautens führt.

Im Ort weist die Karte Übernachtungsmöglichkeiten und den Bikeshop aus – jedoch brauchen wir beides heute nicht. Nach kurzer Rundfahrt durchs Dorf geht es den sonnigen Gegenhang hinauf. Hier erweist sich die digitale Version als hilfreich, da sie den eigenen Standort lokalisiert. Aber wer den Umgang mit Karten gewohnt ist, findet sich auch ohne Smartphone gut zurecht.

Versteckt in einem tiefen Graben lag dieser wunderbare Trail westlich von Sautens.
Foto: Steffen Arora

Ohne Ortskenntnis Trailperlen finden

Um zum nächsten Traileinstieg zu gelangen, würde man ohne Ortskenntnis wohl einfach die Asphaltstraße hochpedalieren. Mit der Supertrail Map wird aber auch der Uphill zum Erlebnis. Denn die Karte verrät alte Waldwege, die mit unglaublicher Aussicht locken und durch fast unwirkliche Schönheit bestechen. Die gelb markierte Strecke schlängelt sich sanft den moosigen Hang entlang, und bevor man es bemerkt, ist man am finalen Trail angelangt.

Ich habe als krönenden Abschluss eine rote Abfahrt gewählt, die mit einem Piktogramm für besonders schöne Aussicht versehen ist. Die Klassifizierung als mittelschwer kommt gut hin. Es geht entlang einer eindrucksvollen Schlucht zurück in Richtung Talboden. Der Weg scheint bei den Locals ein beliebter Biketrail zu sein, zumindest legen die Fahrradspuren das nahe. Ohne die Karte hätte man den unscheinbaren Einstieg als Ortsunkundiger aber wohl niemals entdeckt.

Nach rund vier Stunden sind wir zurück am Ausgangspunkt der Tour. Ohne Vorbereitung und ohne Ortskenntnis habe ich tatsächlich gut 90 Prozent der Wegstrecke auf Trails verbracht – bergauf wie bergab. Die Supertrail Map eignet sich daher nach meinem Dafürhalten perfekt, um neue Gebiete am Rad zu erkunden. Man merkt der Karte an, dass sie von passionierten Mountainbikern entwickelt wurde. Von daher kann ich – sehr subjektiv, versteht sich – nur eine volle Empfehlung aussprechen. Voraussetzung ist jedoch, dass man Karten mag und sich nicht daran stört, sie bei Stopps immer wieder auseinanderzufalten zu müssen.

So sieht der Videowegweiser Supertrail Guide aus, hier anhand eines Beispiels aus der Schweiz. Die auf dieser Plattform angebotenen Trails sind allesamt mit den örtlichen Tourismusverbänden akkordiert.
Map Channel

Wer digitale Karten bevorzugt, kann die Supertrail Map wie gesagt auch als App am Smartphone nutzen. Wobei ich dazu kein Urteil abgeben kann, weil ich bewusst nur die Papierversion getestet habe. Eine Neuerung ist der Supertrail Guide, eine Art Videowegweiser für beliebte Bikedestinationen.

Welche Orientierungshilfen benutzen Sie im unbekannten Gelände? Setzen Sie voll auf digitale Angebote wie das kostenlose Trailforks von Pinkbike? Eine, wie ich finde, großartige Idee, die allerdings in unseren Gefilden mangels Nutzern, die Trails eingeben, noch wenig hilfreich ist. Posten Sie Ihre Tipps für Schatzkarten im Forum. Aber Vorsicht, wir wollen hier keine rechtswidrigen Tourenempfehlungen abgeben, wenn im betreffenden Gebiet Fahrverbot für Mountainbiker herrscht. (Steffen Arora, 12.12.2017)