Wirbel um "Thérèse Dreaming": Das Met Museum will das Gemälde nicht abhängen.

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Gegenwärtig lodert eine politische Debatte. Eine Initiative, die bereits 6.000 Unterschriften sammelte, will das Bild "Thérèse Dreaming" von Balthus aus dem Metropolitan Museum in New York abhängen lassen. Es ist fast unmöglich, dieses Gemälde nicht als erotische Träumerei zu lesen und das geöffnete Kleid nicht als lasziven Ursprung der Welt, wie ihn Courbet um ein Vielfaches näher und aufdringlicher malte. Desgleichen ist eine Nähe zum Schlaf des Barberinischen Faun in München erkennbar. Und doch besteht der Maler darauf, sein Gemälde nur strukturell anzusehen. Er weist jede erotische Bedeutung zurück.

Moral und Kunst

"Ethik und Ästhetik sind eins", sagte Wittgenstein einmal. Damit war nicht gemeint, dass es für Moral und die Kunst eine gemeinsame Regel gäbe. Auch nicht, dass die Kunst moralisch zu sein habe. Das wäre ebenso widersinnig, wie zu fordern, jede Moral müsse ästhetisch werden. Wittgenstein wies darauf hin, dass sich beide, Ethik und Ästhetik, einer sprachlichen Zurechtmachung widersetzen. Sie gehören einem transzendenten Bereich an, der nicht be-sprochen werden kann. Ist es die selbe Transzendenz, dieses Ungreifbare, von der Balthus’ Sohn sprach?

Was sehen die Kritiker?

Und kann es sein, dass jene, die diese Bild aus dem Metropolitan Museum abgehängt sehen wollen, einfach nur die Immanenz sehen, und das, was ihnen die eigene selbstverpflichtende Moral vorschreibt? Dass es ihnen unmöglich ist, das Bild als Bild zu betrachten, sondern nur von seiner vermeintlichen Blickbeziehung her? Und sie sich selbst blind machen für die Kunst wie der Voyeur, dem sie die Lust anlasten, die sie selbst an sich entdecken? Und kann es sein, dass wir einem neuen Protektionismus entgegen sehen, der verbietet, worin Kunst auch ihren Sinn findet, nämlich in der Offenlegung des Unberechenbaren, dem Begehren, dem Unbehaglichen und Mehrdeutigen, ja nicht zuletzt demjenigen, dass sich einer versachlichenden Sprache entzieht?

Ethik und Ästhetik

Nur weil Ethik und Ästhetik einander ähnlich sind, heißt das noch nicht, dass Moral oder Gesetze über Kunst befinden dürfen und wir Kunstwerke, auch wenn sie bedenklich sein mögen, in Geiselhaft nehmen können. Wer dieses Bild verschwinden lässt, macht sich der Zensur schuldig. Daneben muss er wohl einen Großteil der Kunstgeschichte als unangemessenes Erbe verräumen. Oder soll die Glyptothek darüber nachdenken, den schlafenden Faun zu entfernen und das Museum of Modern Art, die Demoiselles d’Avignon, das Gemälde Picassos, das bekanntlich Nackte in einer Bordellszene zeigt? (Thomas D. Trummer, 12.12.2017)