Neun Landeshauptleute, ein Gruppenbild mit Dame: Wallner, Mikl-Leitner, Steltzer, Niessl, Platter, Kaiser, Haslauer, Schützenhöfer, Häupl (von links).

Foto: imago/Roland Mühlanger

Michael Gorbatschow prägte den Satz "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Nun ist es für manche Einsichten nie zu spät, mittlerweile drängt allerdings die Zeit für eine grundlegende Reform des österreichischen Staatswesens.

Zu viele Expertenkommissionen und sogar ein Verfassungskonvent haben sich schon mit dem Föderalismus auseinandergesetzt. Am Ende gelangten sie allesamt zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Österreich verschwendet jedes Jahr Milliarden Euro im Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Allerorts steigen sich die Akteure gegenseitig auf die Zehen, arbeiten aneinander vorbei. Schulreformen ersticken zumeist im Kompetenzdschungel. Straßen und Bahnlinien harren oft jahrzehntelang der Fertigstellung, weil sie Provinzfürsten nicht genehm sind, siehe Semmering-Basistunnel. Immer wieder wachsen in örtlicher Nähe zueinander Spitäler aus der Wiese, ohne ihr Angebot aufeinander abzustimmen, da sie in verschiedenen Bundesländern stehen. Kein Wunder, dass der Rechnungshof das Einsparungspotenzial allein im Spitalsbereich auf fast fünf Milliarden Euro beziffert. Kein Wunder auch, dass Österreichs Bildungssystem bei sehr hohem Finanzeinsatz mittelmäßige Ergebnisse produziert und viele junge Menschen die Schule verlassen, ohne richtig lesen, schreiben und rechnen zu können.

Zukunftsfähigkeit

Wenn nicht bald etwas geschieht, steht die Zukunftsfähigkeit Österreichs auf dem Spiel. Eine überparteiliche Gruppe von Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, der ich angehören durfte, dachte daher drei Jahre lang unter Einbindung externer Experten intensiv über eine völlige Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern nach. Beide sind für unseren Staat unverzichtbar. Beide sollten allerdings jene Aufgaben übernehmen, die sie jeweils am besten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erledigen können.

Die Gesetzgebungskompetenz sollte daher unserer Ansicht nach ausschließlich beim Bund, also beim Parlament liegen, während Verordnungen von den Bundesministerien erlassen werden. Die Verwaltung dieser Gesetze und Verordnungen obläge hingegen ausschließlich den Ländern, weil sie viel näher an den Menschen sind. Die Länder sollten auch die gesamte Schul- und Sozialverwaltung innehaben, allerdings auf Basis von einheitlichen Bundesgesetzen. Beim Bund blieben klassisch hoheitliche Aufgaben wie Äußeres, Landesverteidigung, innere Sicherheit, Hochschulen Gesundheit, Steuern und Arbeitsmarkt. Das würde auch bedeuten, dass sämtliche Landesspitäler dem Bund übertragen und vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu verwalten wären.

Da in diesem System der Nationalrat viel wichtiger wäre, soll er von 183 auf 199 Mandate vergrößert werden. Die Schaffung von 99 Direktwahlkreismandaten würde für eine ausreichende Berücksichtigung der Bundesländerinteressen sorgen. Der Bundesrat würde abgeschafft, auch eine Landeshauptleutekonferenz als informelles Koordinierungsgremium wäre obsolet. Dafür bekämen die Landeshauptleute und ihre Stellvertreter mehr Gewicht. Beide würden nach wie vor von einem verkleinerten Landtag bestimmt, der wiederum wie bisher bei Landtagswahlen gewählt, allerdings nur mehr als Kontrollorgan fungieren würde. Komplizierte 15a-Vereinbarungen, die das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Gemeinden heute regeln, wären ebenso passé wie die komplexen und undurchsichtigen Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Hingegen wäre der Ausgangspunkt für das neue System ein umfassender Kassasturz, der alle finanziellen Altlasten schonungslos auf den Tisch brächte.

Der Bund, der in Zukunft auch alle Steuern einheben soll, übernähme dabei sämtliche Schulden und Haftungen der Länder und würde den Ländern und Gemeinden jährliche Gesamtbudgets zuteilen. Der Beschluss dafür fiele im Nationalrat. Im Gegenzug dürften die Länder keine Schulden mehr machen und auch keine neuen Haftungen mehr eingehen. Ausgenommen davon wäre der sogenannte privatwirtschaftliche Bereich. Ein Bundesland könnt also weiterhin ein Museum oder einen Energieversorger betreiben, der sich auch verschulden könnte, natürlich kontrolliert vom zuständigen Landtag. Die hier skizzierte Neugestaltung Österreichs würde eine Gesamtänderung der Verfassung bedeuten und wäre somit zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Vorschläge für eine grundlegende Reform des österreichischen Staatswesens gab es ja schon einige. Gescheitert sind sie alle an Partikularinteressen bestimmter politischer Akteure, die sich mit aller Kraft gegen die Veränderung des Status quo wehren. Wenn es der präsumtive nächste Bundeskanzler Sebastian Kurz mit seiner Ansage, Österreich neu aufzustellen, ineffiziente Strukturen aufzubrechen und dabei viele Milliarden einzusparen, wirklich ernst meint, liegt ihm mit unserem Vorschlag dafür ein wohldurchdachter Plan vor. Die kommende Bundesregierung ist aufgefordert, ihn mit aller Vehemenz umzusetzen. Im Interesse und zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder, die ein Recht auf eine zukunftsfähige Heimat haben. (Brigitte Ederer, 12.12.2017)