Wien – Die zur Zeit größte Windkraftanlage der Welt steht in Bremerhaven. Hersteller Adwen testet dort einen Prototypen mit einem Rotordurchmesser von 180 Metern. Mit einer Leistung von acht Megawatt soll eine derartige Anlage 10.000 Haushalte versorgen können. Das Gewicht der 88,4 Meter langen Rotorblätter liegt jeweils unter 34 Tonnen. Das klingt viel, ist bei dieser Größe aber nur mit ausgefeilter Leichtbauweise zu erreichen. Um das Gewicht niedrig zu halten, verwendet der dänische Hersteller LM Wind Power etwa ein Hybridsystem aus Glas- und Carbonfasermaterial.

Aus Luftfahrt und Fahrzeugbau kommend haben Leichtbautechniken auch in der Windkraft eine neue Anwendung gefunden. Potenzial gibt es aber auch in vielen weiteren Bereichen. Im Bau spielt Leichtbau mit sogenanntem textilbewehrtem Beton eine Rolle, dem Carbonfasern anstelle von Stahlstrukturen Stabilität verleihen. Auch der Maschinenbau ist ein Hoffnungsträger: Robotik und Anlagenbau in einer automatisierten Industrie sollen von den neuen Bauweisen profitieren.

"Der Automobilbereich ist weiterhin der Anwendungsfall von Leichtbautechnologien mit der größten Bedeutung", sagt Thorsten Kühmann vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), der größten deutschen Netzwerkorganisation der Branche. "Nachdem der gesamte Antriebsstrang zur Disposition steht, gibt es hier neue Marktpotenziale. Das Gesamtgewicht muss letztlich runter." Der deutsche Autobauer BMW habe hier mit dem i3 ein Beispiel gegeben – für Kühmann ein "super Showcase, aber noch an der Grenze der Bezahlbarkeit". Eine Herausforderung wird sein, Automatisierung und Serienfertigung im Leichtbau zu verbessern, um Stückkosten zu verringern.

Sprung in die Serienfertigung

Ein Zukunftsfeld ist der hybride Leichtbau, zu dem der VDMA eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet hat, um "Produktionsverfahren, Automatisierung und Fügetechnologien werkstoffübergreifend und europaweit" weiterzuentwickeln. "Dieser Bereich kommt zunehmend in Schwung, weil die einzelnen Materialfraktionen an ihre Grenzen kommen", sagt Kühmann. Eine Verbindung von Materialien wie Stahl, Aluminium, Magnesium oder carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) soll neue Anwendungen erschließen und mehr Effizienz bringen.

"Es hört sich banal an, aber das Finden optimaler und kostenverträglicher Füge- und Verbindetechniken – etwa durch Kleben oder Schrauben – ist hier eine zentrale Herausforderung", so Kühmann. Zudem müsse man mit dem neuen Ansatz auch den Sprung in die Serienfertigung schaffen. Kühmann geht davon aus, dass der hybride Leichtbau im Maschinenbau künftig stärker gefragt sei – obwohl die Resonanz jetzt noch verhalten ist. Überall, wo sich Teile bewegen, wo das Transportgewicht eine Rolle spielt oder die Integration spezieller elektronischer Funktionen oder Sensorik – Stichwort Industrie 4.0 –, sei Potenzial vorhanden.

Bewegliche Anlagen, deren Masse durch neuartige Materialkombinationen verringert wird, benötigen im Betrieb weniger Energie, können präziser und vor allem schneller arbeiten. Bei Hersteller Engel Austria konnte etwa das Gewicht eines Roboterarms durch Mischbauweise aus Aluminium und Carbonfaser um 40 Prozent gesenkt sowie die Beschleunigung um 20 Prozent verbessert werden.

Doch hybride Bauteile, noch dazu mit integrierter Elektronik, machen nicht alles leichter: "Die Reparatur wird komplexer und anspruchsvoller", betont Kühmann. "Früher hat man, überspitzt gesagt, bei einer Delle im Auto mit dem Hammer dagegen gehaut und es hat gepasst. Das wird nicht mehr funktionieren. Die zunehmende Komplexität spricht für eine modulare Bauweise, die erlaubt, die hybriden Teile komplett auszutauschen." (pum, 15.12.2017)