Mit der SPÖ war der ÖVP der Weg für die wettbewerbliche Vergabe von staatlichen Verkehrsdienstbestellungen bei der ÖBB versperrt.

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Wien – Die notorische Nichtumsetzung der EU-Vergaberichtlinie in österreichisches Recht und die von der EU-Kommission angekündigte Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen die neue, erst anzugelobende Regierung unter Zeitdruck. Wegen anhaltender Verletzung der Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge kann Brüssel ein Zwangsgeld von 138.000 Euro täglich verhängen, was rasch zu einer Strafe in Millionenhöhe anwachsen kann.

Aber so weit ist es noch nicht. Wohl ist die Umsetzungsfrist für die entsprechenden Richtlinien bereits im April 2016 abgelaufen. Bis Österreich vom EU-Gericht tatsächlich zu Zwangsgeld verdonnert wird, vergehen Monate, in denen der Nationalrat die Novelle des Vergaberechts aus dem Jahr 2006 beschließen kann.

In wesentlichen Teilen beschlussfähiger Entwurf

Bei null anfangen muss man nicht, denn die scheidende Regierung hinterlässt einen in wesentlichen Teilen beschlussfähigen Entwurf. Zumindest was die Kernpunkte der EU-Vergaberichtlinie betrifft: die Pflicht zur Abwicklung öffentlicher Auftragsvergaben in Form von elektronischen Ausschreibungen und die Schaffung eines einheitlichen Datenportals, über das sämtliche öffentliche Vergaben abrufbar sind. Derzeit herrscht diesbezüglich Wildwuchs, es gibt keine Stelle in der Verwaltung, die den Überblick über staatliche Beschaffung vom Büromaterialeinkauf bis zur Anschaffung von Zügen und zu Bauleistungen durch die ÖBB hat.

Dabei ist die öffentliche Auftragsvergabe ein Milliardenmarkt, dessen Volumen auf jährlich bis zu 60 Milliarden Euro taxiert wird. Die EU-Vergaberichtlinie zielt auf Transparenz und diskriminierungsfreien Zugang für Anbieter aus allen 28 Mitgliedstaaten bei europaweiten Ausschreibungen.

Zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen

Die ÖBB ist übrigens auch der Grund, warum die Gesetzesnovelle im September doch nicht mehr vom Nationalrat beschlossen wurde: Die ÖVP wollte zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen und hat das Vergaberecht mit der vom Koalitionspartner SPÖ favorisierten Direktvergabe für gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) im Nah- und Regionalverkehr junktimiert. Die Bestellung von wirtschaftlich unrentablen Pendler- und Schülerzügen bei der Bundesbahn (oder einem anderen Verkehrsträger) hat zwar nicht ursächlich mit dem klassischen Vergaberecht zu tun, denn die Ausschreibungspflicht für GWL wird via EU-Verordnung geregelt, gilt spätestens ab 2023 und wird – Vergabegesetz hin oder her – automatisch zu nationalem Recht.

In die spätestens 2019 anstehende Erneuerung des GWL-Vertrags mit der ÖBB im Volumen von fast sieben Milliarden Euro (über zehn Jahre) wäre allerdings Dynamik gekommen. Plötzlich hätten Privatbahnen mitbieten und der ÖBB diesen fetten Auftrag, der den überwiegenden Teil des administrativen Oberbaus der Staatsbahn mitfinanziert und daher für das operative Geschäft essenziell ist, streitig machen können.

Nun kann die neue Regierung unter ÖVP-Führung der GWL-Direktvergabe zu Leibe rücken, zumindest bei überregionalen Zugverbindungen. Ob bei dieser Gelegenheit auch die in der Wirtschaft verhasste Publikationspflicht für Jahresabschlüsse in der "Wiener Zeitung" weggeräumt wird, bleibt abzuwarten. (Luise Ungerboeck, 13.12.2017)