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Präsident Erdoğan trommelt gegen Israel.

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Die Vasallen von einst spüren wenig Wunsch nach einer Rückkehr der Osmanen: Hunderte Jahre Herrschaft von Algier bis Bagdad. Doch der türkische Staatschef Tayyip Erdoğan scheint entschlossen, sich an diesem Mittwoch in Istanbul zum Führer der islamischen Welt aufschwingen wie einst die Sultane am Bosporus.

Als amtierender Präsident der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) hat Erdoğan Könige, Staatschefs und Ministerpräsidenten der 56 Mitgliedsländer zu einem Sondergipfel eingeladen. Eine starke Antwort auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA soll her. "Es wird ein Wendepunkt", kündigte Erdoğan zu Wochenbeginn an. Dafür aber müsste der türkische Präsident mit diplomatischen Geschick erst einmal Konsens unter den muslimischen Staaten finden. Die zeigen sich nur auf den ersten Blick geschlossen in ihrer Ablehnung von Donald Trump und dessen Jerusalem-Anerkennung.

"Rote Linie"

Erdoğan hat Jerusalem schnell zur "roten Linie" für die Muslime in der Welt erklärt. Die Frage ist nun, was nach der Linie kommen soll. Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA? Eine Revanche-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt der Palästinenser? Oder doch lieber eine Delegation, die auf Rundreise geschickt wird – Vertreter muslimischer Staaten, die in Europa und in Washington erklären sollen, warum Trumps Jerusalem-Beschluss wieder rückgängig gemacht werden muss?

Am Tag vor dem Gipfel war noch nicht klar, wer alles wirklich kommt. Einladungsschreiben wurden nicht oder nur vage beantwortet. In manchen Ländern der muslimischen Welt gebe es insgeheim eine Furcht, stellte der türkische Außenminister am Dienstag im Interview mit einem Nachrichtensender fest. "Vor wem, vor was habt ihr denn Angst?", fragt Mevlüt Çavuşoglu. Die Türkei plagt sich mit solchen Beschwernissen jedenfalls nicht.

Embargo

Ein 21 Punkte langer Maßnahmenkatalog zirkulierte als Vorlage für den Sondergipfel in manchen türkischen Medien. Ob er echt ist, steht dahin. Der Rückruf der Botschafter aller OIC-Staaten aus den USA ist darin enthalten oder auch die Festlegung auf ein Wirtschaftsembargo gegen Israel. Vergangenen Mittwoch noch, als Trump die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem ankündigte, heimste ein türkischer Bushersteller einen Großauftrag über 18,6 Millionen Euro in Israel ein.

Seine länger geplante Reise nach Nahost nächste Woche kann sich US-Vizepräsident Mike Pence wohl abschminken. Niemand will ihn nun sehen, nicht einmal der Vertreter der koptischen Kirche in Jerusalem, und nur die israelische Führung ausgenommen. Auf die Zwischentöne beim Gipfel in Istanbul wird die US-Regierung aber genau achten. Während Erdoğan der Antreiber zu einer harten Antwort ist, und der Iran mit Präsident Hassan Rohani ebenfalls zur Gruppe der Hardliner gehört, steht Saudi-Arabien am anderen Ende des Spektrums. Kronprinz Salman, der neue mächtige Mann des Landes, denkt nicht daran, sein ausgezeichnetes Verhältnis zur Trump-Regierung zu schmälern. Er braucht die USA gegen Teheran. Dem Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas, so wurde vergangene Woche kolportiert, soll Mohammed bin Salman vorgeschlagen haben, sich mit Abu Dis, einem Vorort von Ost-Jerusalem, als Hauptstadt zu begnügen. Dass der Generalsekretär der OIC, Yussef bin Ahmad Al-Othaimeen, ein ehemaliger saudischer Minister ist, wird Gastgeber Erdoğan nicht eben helfen.

Abbas selbst dürfte in Istanbul für eine vorsichtiger formulierte, wenn auch prinzipenfeste Antwort auf Trump werben, ähnlich wie Jordanien, Ägypten oder auch Indonesien, der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt. Ein türkischer Geschichtsprofessor, der Dekan der stramm regierungstreuen Istanbuler Fatih Sultan Mehmet Vakif Universität, hat jedenfalls schon einen Vorschlag. Wenn ein Frieden in Jerusalem gewollt wird, so erklärte Zekeriya Kurşun dieser Tage, dann müsste wieder eine Ordnung zwischen den Glaubensgemeinschaften hergestellt werden, wie sie die Muslime in der Zeit des Osmanischen Reichs errichtet hatten. Damals waren Christen und Juden steuerpflichtig und rechtlich geschützt in dem Gemeinwesen der vielen Konfessionen. Und an der Spitze lenkte der Sultan. (Markus Bernath, 13.12.17)