Wien – Allein die Modelleisenbahn und ein paar alte Autos brachten den Ertrag schon an die Eine-Million-Dollar-Grenze. Dazu kamen Gitarren und Verstärker unter den Hammer, sogar Hemden und ähnliches Mottenfutter wurden diese Woche versteigert.

Neil Young mit altem Auto und einem neuen Album. Sein bisheriges Gesamtwerk ist jetzt online bis auf weiteres gratis anhörbar.
Foto: Warner

Fans von Neil Young befanden sich in Aufruhr, als sie erfuhren, dass der 72-jährige Meister sich von einigen seiner liebsten Stücke trennen würde. Gleichzeitig hieß es, Young würde sein musikalisches Gesamtwerk online stellen, bis auf weiteres sei alles, was er je aufgenommen habe, frei zugänglich. Helle Aufregung. Regelt da einer seine letzten Dinge? Gab es eine schlechte Diagnose?

Alles sehr verwirrend. Schließlich sollte zur selben Zeit das neue Werk von Neil Young erscheinen. Jetzt ist es da. Es heißt The Visitor und ist das 39. Studioalbum des Kanadiers; eingespielt hat er es wieder mit der Band Promise of the Real.

Liebgewonnenes teilen

Ungeachtet seiner von The Visitor belegten Vitalität scheint Young gewisse Sachen loszulassen. Gefragt, warum er einige Herzstücke seines Fuhrparks und andere liebgewonnene Dinge versteigern lassen würde, sagte er: "Es war eine große Freude, diese Dinge zu sammeln. Sie haben mir mein ganzes Leben lang Spaß bereitet und inspirierten meine Kunst. Jetzt ist es an der Zeit, sie mit anderen zu teilen, in der Hoffnung, dass diese sie genauso genießen werden wie ich." Na dann.

Spannender als die Entrümpelung von hochpreisigem Spielzeug ist für die Fans das Archiv des Musikers. Dort hat er penibel, nach Jahreszahl gereiht, all seine Songs und Alben samt bislang nicht veröffentlichten Werken online gestellt. Es beginnt mit zwei Aufnahmen aus dem Jahr 1963, mit der Band The Squires und den beiden Songs The Sultan und Aurora. Dazu liefert die Seite historische Details und Fundstücke wie Kritiken, Videos, Notenblätter und vieles mehr.

Neil Youngs Tutorial für die Benutzung seines Archivs.
Neil Young & the Archives Team

Während diese ersten, zwischen Surf- und Westernsound angesiedelten Lieder weitgehend instrumental sind, erweist sich der dritte Song in Youngs Archiv bereits als ein Same, der Jahre später noch einmal keimen würde. Teile des Songs I Wonder sollten 1975 auf dem Album Zuma als Don't Cry No Tears reinkarnieren. An der Stelle speichelt der Nerd bereits in die Tastatur seines Rechners, und das ist nur die Spitze eines riesigen Eisbergs, den Young in bester Soundqualität aufbereitet hat.

In der Begrüßung zu seinem Archiv geht er mit Apple hart ins Gericht: iTunes und ähnliche Anbieter würden mit ihren Streaming- und Downloaddiensten nur fünf bis maximal 20 Prozent von dem hörbar machen, was auf den Masterbändern vorhanden sei. Youngs Technologie biete hingegen die bestmögliche Qualität, die sich der jeweiligen Bandbreite der Verbindung anpasse.

Das offizielle Video zum neuen Song "Already Great".
neilyoungchannel

Jüngster Eingang in das Archiv ist sein neues Album The Visitor. Darauf attackiert er schon im ersten Song Donald Trump, ohne diesen zu namentlich zu nennen. Already Great ist eine Liebeserklärung an das "gute" Amerika. Eine Utopie zwar, aber das darf die Kunst. Dass Young bezüglich Trump nicht die besten Karten hat, scheint ihm egal zu sein. Immerhin wollte er für sein Digitalmusiksystem Pono Trump als Investor gewinnen, dieser lehnte ab. Das spielte Trump heuer genüsslich gegen Young aus, als der ihn wegen seiner irrlichternden Amtsführung attackierte. Das Land wollte er gar verlassen, sollte Trump gewählt werden, sagte Young noch 2016, bis heute wohnt er in seiner Wahlheimat Kalifornien.

Eloge an einen Bruchpiloten

Stilistisch gibt Young sich vielfältig. Diggin' a Hole ist ein zäher Blues, Carnival liebäugelt mit mexikanischer Folklore und lässt den Bruchpiloten Evel Knievel hochleben, einen Motorradstuntman, dem über 400 Knochenbrüche nachgesagt wurden. Der Song sowie das zärtliche gebeserlte Country-Gstanzl Change of Heart zählen zum Besten hier.

Eher ungelenk klingt ein härter rockender Song wie Stand Tall, der im Geiste eines Albums wie Living with War verfasst wurde, aber nicht die Bissigkeit der Lieder besitzt, mit denen Young 2006 die Amtsenthebung von George W. Bush forderte. So ist das mit den Weltverbesserern, manchmal hauen sie halt daneben, aber immerhin beziehen sie Position. Da ist man froh um einen wie Young, der Weltverschlechterer gibt es ohnehin zu viele. (Karl Fluch, 14.12.2017)