Es war ein zentrales Wahlversprechen des Siegers: Einen "schlanken Staat", der mit zig Milliarden Euro weniger Steuergeld auskommen soll, hatte Sebastian Kurz landauf, landab propagiert. Mit Josef Moser holte er einen Ex-Rechnungshofpräsidenten auf seine Liste, der jahrelang nichts anderes getan hatte, als zu großen "Strukturreformen" zu mahnen.

Umso kurioser mutet nun ein Kandidat an, der als Besetzung für das Schlüsselressort in der Regierung gehandelt wird. Offenbar hat der bisherige Innenminister Wolfgang Sobotka Chancen, das Finanzressort zu übernehmen. Dies hieße, den Bock zum Gärtner zu machen. Denn Sobotka steht für das glatte Gegenteil dessen, was Kurz' Ankündigungen nahelegten.

So überzogen das Gejammere über die ach so aufgeblähte Verwaltung oft auch ist, in einer Frage gibt es tatsächlich Grund zur Klage. Von der verworrenen Schulverwaltung über den Wildwuchs der Förderungen bis zu Fehlplanungen bei den Spitälern: Wer ernsthaft verschwenderische Auswüchse beseitigen will, kommt an den Absurditäten des heimischen Föderalismus nicht vorbei. Im komplizierten Geflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden reden viel zu viele Akteure mit. Das kostet nicht nur unnötig Geld, sondern lähmt auch die Politik.

Um das zu ändern, ist Sobotka der falsche Mann. Der Niederösterreicher, Prototyp des breitbeinigen Landespolitikers, hat dem Rechnungshof nicht nur einmal ausgerichtet, dass er dessen Kritik für Larifari hält. Schon schüchterne Versuche der Bundesregierung, als steuergeldverteilende Stelle die Länder besser zu kontrollieren, fasste Sobotka als Affront auf. Hinter dem Ziel einheitlicher Finanzregeln sah er gleich das trojanische Pferd des Zentralismus einrollen.

Die Kür des neuen Finanzministers ist deshalb ein Test, wie viel Ernst und Schlagkraft hinter Kurz' Reformpose stecken. Verbal hat der ÖVP-Chef bisher versucht, es allen (außer den Ausländern) recht zu machen, doch eine verschlankte Verwaltung ist nicht möglich, wenn niemand Kompetenzen verliert. Nun muss sich der künftige Kanzler bekennen: Legt er den Schlüssel zur Staatskasse in Hände, die an der Ländermacht rütteln, oder in solche, die diese zementieren?

Kurz wird das nicht so einsam entscheiden können, wie das sein Durchgriffsrecht auf dem Papier garantiert. Für die Besetzung seiner Bundeswahlliste mit "unabhängigen" (und flugs verräumten) Quereinsteigern konnte der Parteichef die eine oder andere Unstimmigkeit in den eigenen Reihen in Kauf nehmen, doch einen breiten Aufstand kann er nicht riskieren. Somit muss Kurz bei der Ministerauswahl nicht nur auf einen halbwegs respektablen Frauenanteil achten, um nach dem gefallenen Rauchverbot nicht das nächste Retrosignal zu setzen; auch manche Personalwünsche der schwarzen Landesparteien wird er schwer ignorieren können.

So türkis kann die ÖVP gar nicht werden, dass sich die regionalen Regenten ausschalten ließen. Großspenden hin oder her – à la longue hängt die Bundespartei finanziell am Tropf der großen Landesgruppen. Und realpolitisch bieten sich Landeshäuptlingen – siehe oben – reichlich Möglichkeiten zur Revanche durch Blockade von Regierungsvorhaben.

Wie viel Spielraum ein Bundespolitiker in diesem Gefüge hat, hängt weniger von formalen Garantien ab als von erarbeiteter Autorität. Der Traum von der Allmacht aber wird sich auch für Kurz als Illusion entpuppen. (Gerald John, 13.12.2017)