Karin Kneissl soll auf Wunsch der FPÖ Außenministerin werden. Als Diplomatin ist sie aus dem Amt geschieden.

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Wien – Bei Angela Merkel ist es so. Bei Viktor Orbán ist es so. Und nun auch bei Sebastian Kurz. Der kommende Bundeskanzler macht die EU-Agenden zur Chefsache – und lässt dies auch in den künftigen Organisationsstrukturen des Bundeskanzler- und des Außenamtes abbilden.

Sobald die neue Bundesregierung angelobt ist und deren Geschäftseinteilung im zu novellierenden Bundesministeriengesetz definitiv feststeht, sollen wesentliche Teile der Europa-Sektion vom Minoriten- an den Ballhausplatz übersiedeln. Konkret sollen die beiden wichtigen EU-Koordinationsabteilungen und das Exekutiv-Sekretariat, das die österreichische EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 organisiert, ihre Amtsstuben wechseln.

Erweiterung bleibt

Im Außenamt verbleiben sollen die Agenden für EU-Grundsatz fragen und – für Österreich zentral – die Abteilung für den Westbalkan und die EU-Erweiterung. Auch der Ständige Vertreter Österreichs in Brüssel bleibt dem Außenministerium zugeteilt.

Kurz wird mit dieser Umstrukturierung dennoch die Hand auf wesentlichen Segmenten der EU-Politik haben. Es entsteht eine ähnliche Machtstruktur, wie es sie etwa im deutschen Kanzleramt oder im Ministerpräsidentenamt in Budapest bereits gibt. Auch Merkel – sie hat im Gegensatz zu Kurz Richtlinienkompetenz in der deutschen Bundesregierung – bestimmt über den Leiter ihrer Europa-Abteilung Uwe Corsepius und ihren außenpolitischen Berater Jan Hecker die internationale Politik Berlins maßgeblich. Beide Herren gelten als mitunter einflussreicher als die jeweiligen Minister im Auswärtigen Amt.

Und in Ungarn führt Orbán mit Staatssekretär Szabolcs Takács und parteitreuen Diplomaten die EU-Geschäfte eng bei sich; sein ehemaliger Sprecher und nunmehriger Außenminister Péter Szijjártó tritt eher als Handlungsreisender in Sachen ungarischer Exporte in Erscheinung.

Gebündelte Kompetenzen ...

In der Beamtenschaft des Bundeskanzleramtes heißt es, die Bündelung der Kompetenzen mache durchaus Sinn: "Damit bekommen wir eine Art EU-Powerhouse am Ballhausplatz. Das ist ja per se nicht schlecht. Vor allem angesichts einer schwierigen Präsidentschaft, wie sie uns bevorsteht. Stichwort: Brexit und dergleichen."

Ein ehemaliger Botschafter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sieht die Sache etwas skeptischer: "Das dokumentiert auch den schleichenden Bedeutungsverlust des österreichischen diplomatischen Dienstes im Laufe der Jahre. Alle Minister – auch Herr Kurz – haben zugelassen, dass das Budget des Amtes deutlich zurückgefahren wurde. Die personellen Ressourcen sind bestenfalls mangelhaft. Eine global aufgespannte österreichische Außenpolitik ist – auch im EU-Kontext – so nur schwer oder eigentlich gar nicht zu machen."

... und besserer Schlaf

Immerhin: Aus politischer Perspektive, so der Ex-Diplomat, könne er die Restrukturierung nachvollziehen. Auch wenn die vermutlich neue, auf dem FPÖ-Ticket fahrende Ministerin Karin Kneissl eine ehemalige Kollegin sei, schlafe er besser, wenn die Federführung in EU-Fragen bei Kurz angesiedelt sei. Nach seiner Einschätzung werde Kneissl deutlich weniger nach Brüssel reisen.

Über der Frage der Europa-Kompetenzen in der Bundesregierung ist bereits einmal einiges an politischem Missvergnügen aufgekommen. Kurz nach der Angelobung des Kabinetts Gusenbauer 2007 ließ die damalige Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) das Außenamt in "Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten" umbenennen, um die Dinge gleich – amtlich – klarzustellen. (Christoph Prantner, 15.12.2017)