Cyril Ramaphosa will ANC-Chef, und damit später auch Südafrikas Präsident werden. Er steht auf Seiten der Reformer.

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Nkozazana Dlamini-Zuma will den gleichen Posten. Sie steht für die Traditionalisten und für eine weiter links stehende Politik. Damit geht auch der Kampf gegen das "weiße Monopolkapital" einher, wie sie sagt.

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Mpho Tsotetsi macht sich auf den Weg zur Arbeit – ihr erster Aushilfsjob als Kellnerin. Nur ein paar Kilometer, dann ist die junge Studentin mit dem Minitaxi im Ausflugsrestaurant Emerald angekommen. Eine Stunde von Johannesburg entfernt, tut sich hier eine andere Welt auf, an den grünen Ufern des Vaal-Flusses. Der private Kasinobetrieb ist für Mpho eine Oase des Luxus. Sobald sie ihren tristen Wohnort im Township Boipatong bei Johannesburg hinter sich gelassen hat, fühlt sie sich besser. "Politiker?", sagt sie kopfschüttelnd – "Alles Gauner."

Die Verbitterung über die Regierung, die keinen Ausgleich zwischen Arm und Reich schafft, ist groß. Schon lange vorbei ist die Hoffnung auf ein besseres Leben, die Südafrikas Regierungspartei einst auch in abgelegene Ecken der Armensiedlungen brachte.

Keine Hilfe von der Partei

Der afrikanische Nationalkongress (ANC) wird schon lange nicht mehr gelobt, und nun ist auch der langjährige Vertrauensvorschuss verspielt. "Der ANC hat nichts für mich getan. Ich habe alles selbst erreicht", sagt die 23-Jährige und schaut ärgerlich auf die Wahlplakate am Straßenrand.

Vor kurzem saß sie wieder ein paar Tage ohne Licht und Strom im alten Haus, das sie mit der Familie ihres Freundes bewohnt. Auf den Straßen häuft sich der Müll. Einbrüche und Gewalt verunsichern die Bewohner in Boi patong, der Dreck hat ihre sechsjährige Tochter Retabile krank gemacht. Mpho erinnert sich an die Zeit vor ihrem Studium. Als Waise hatte sie keine Unterstützung und bettelte sich in der Pfarre das Geld zum Einschreiben an der Nordwest-Universität zusammen – für ein Studium der Sozialarbeit und später Psychologie.

"Sie sind alle korrupt"

ANC-Abgeordnete in der Gemeinde hatten kein Gehör für sie. Ihr ist es egal, wie die an stehenden Wahlen für den Präsidentschaftskandidaten des ANC ausgehen am Parteitag, der am Wochenende beginnt. "Sie sind alle korrupt", sagt Mpho und rückt ihre Sonnenbrille in der Sommerhitze Südafrikas zurecht.

Korruption prägte besonders die letzten Jahre unter Präsident Jacob Zuma, der 2019 seine zweite Amtszeit beendet. Ihm wird "state capture" vorgeworfen – die Vereinnahmung des Staates für persönliche Zweck und für die Interessen der befreundeten indischstämmigen Geschäftsfamilie Gupta. Die Partei ist gespalten. Der mit harten Bandagen geführte Wettlauf um die Präsidentschaft belastet den Zusammenhalt.

Chance für die Reformer

Hauptanwärter auf die Führung der früheren Partei Nelson Mandelas sind der derzeitige Vizepräsident Cyril Ramaphosa und die ehemalige Chefin der Afrikanischen Union (AU), Nkosazana Dlamini-Zuma. Sie war früher mit dem Präsidenten verheiratet.

Beide stehen für die zwei mächtigen Fraktionen: Ramaphosa ist Favorit der verfassungstreuen Reformer. Dlamini-Zuma erfährt Rückhalt vor allem unter den mit Präsident Zuma verbündeten Traditionalisten. Die besseren Chancen werden Ramaphosa nachgesagt. Auch die Allianzpartner des ANC, der Dachverband südafrikanischer Gewerkschaften (Cosatu) und die Kommunistische Partei (SACP), stehen hinter Ramaphosa. Doch es gibt auch_Gegenwind: Zuma vertraut nicht mehr darauf, dass Ramaphosa ihm nach dem Amtsende Schutz vor der Justiz für seine zahlreichen Korruptionsskandale bieten wird.

Seit ihrer Rückkehr wirbt Dlamini-Zuma auf zahlreichen Veranstaltungen für ein Programm "radikaler wirtschaftlicher Transformation" zugunsten der Armen. Der Slogan schließt sich der Rhetorik der Zuma-Fraktion an, die dem "weißen Monopolkapital" des Landes den Krieg angesagt hat.

Gegen das "Monopolkapital"

Die Wahl wird spannend bleiben, eine klare Mehrheit scheint niemand zu haben. Die meisten Investoren würden gern Ramaphosa als Präsident sehen. Der Anwalt will die Wirtschaft ankurbeln, die 28 Prozent Arbeitslosenrate herunterschrauben und die Korruption bekämpfen.

Auch Mphos Freund, Lucky Mofokeng, sieht in ihm den bes seren Kandidaten. Lucky, der mit einem Verwaltungsjob in der Nachbarprovinz versucht, Mpho, Retabile und zwei Schwestern mit ihren Kindern zu unterstützen, hegt keine Illusionen. "Zumas Ex-Frau ist nur eine Tarnung", sagt er.

Der Kapitalist stiehlt nicht

Ramaphosa hingegen habe genug Geld, er brauche nicht die Kassen der Wähler plündern. Der heute 65-Jährige hatte sich in den 1990er-Jahren aus der Politik zurückgezogen und mit Bergbauunternehmen Reichtum erworben – ein Symbol des schwarzen Kapitalismus nach der Apartheid.

Luckys Freund, der Student Thato, hat den ANC komplett satt. Er wählt die linken ökonomischen Friedenskämpfer (EFF) von Julius Malema. Der ANC hat Häuser für alle versprochen, aber in Boipatong entstehen stattdessen mehr Wellblechhütten. Junge Schwarze werden radikal – die Stimmen, die EFF anzieht. Die schwarze Mittelklasse ist teilweise zur größten Opposition, der Demokratischen Allianz (DA), abgewandert.

"Der ANC ist nichts wert"

Sie wohnt aber nicht in Boi patong, dort wächst die Armut. Ayanda Patosi sitzt dort unter einem Baum vor seinem Steinhaus. Der Gemeindevertreter wird wütend: "Der ANC ist nichts wert. Wir brauchen Arbeit, die Jugend hat sonst keine Zukunft", sagt er. Er sitzt im Schulgremium und vermittelt zwischen den Anwohnern und der Gemeinderegierung.

Mpho glaubt überhaupt nicht mehr an die Worte der Politiker, aber sie hat ihr Ziel nie aufgegeben: raus aus der Armut. Das Leben ohne Geld ist hart, der Job im Freizeitresort war schwer zu finden. Die Studentin kehrt abends erschöpft in die Township zurück. Sie selbst bleibt hartnäckig, doch die Ideale der Freiheitsbewegung sind verloren. "Der ANC ist mit Mandela gestorben", sagt Mpho. "Jetzt gibt es niemanden mehr, der die Menschen an erste Stelle setzt und sich um sie kümmert." (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 14.12.2017)