Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager weist eine Mitschuld der Kartellwächter an der Niki-Pleite zurück.

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Bei der auf Insolvenzkurs segelnden Billigairline Niki hängen nicht nur die Mitarbeiter in der Luft, sondern auch die Gläubiger. Die Ansprüche der rund tausend Beschäftigten können beispielsweise nicht beim Insolvenzentgeltsicherungsfonds angemeldet werden, weil die Niki Luftfahrt GmbH offiziell noch gar nicht in Insolvenz ist. Beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg wurde nämlich am Donnerstag noch kein Insolvenzverfahren eröffnet, sondern ein sogenanntes Insolvenzeröffnungsverfahren.

Das ist eine deutsche Spezialität, eine Art Vorstufe zum Insolvenzplanverfahren, in dem der Masseverwalter relativ rasch und unbürokratisch über die Zukunft der Gesellschaft, etwa einen Verkauf, entscheiden kann.

Das kann für eine vor der Pleite stehende Gesellschaft lebensrettend sein, Gläubiger haben dabei aber nichts zu melden, kritisiert Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. "Es gibt dabei keinen Gläubigerausschuss wie in einem Sanierungsverfahren, der gemeinsam mit dem Masseverwalter binnen 90 Tagen nach tragfähigen Lösungen sucht." Niki sei eine österreichische Gesellschaft und ein Sanierungsverfahren auch hier zu führen, sagt Weinhofer, der hofft, dass wenigstens ein Gläubiger beim Landesgericht Korneuburg Insolvenzantrag stellt und damit ein Sekundärverfahren auf den Weg bringt. Dann wären auch die Interessen der hauptbetroffenen Niki-Belegschaft gewahrt.

Hoffnung auf Niki Lauda

Der in Berlin bestellte Masseverwalter Lucas Flöther sagte, er bemühe sich um einen Notverkauf, dafür habe er noch "ein paar Tage" Zeit. Diesbezügliche Hoffnungen richten sich vor allem auf Ex-Rennfahrer Niki Lauda. Er hoffe auf einen baldigen Gesprächstermin mit Flöther "über eine neue Niki", sagte Lauda zum STANDARD. Auch in der ZIB2 zeigte sich der Airline-Gründer optimistisch: Die Chancen für eine Übernahme seien "sehr hoch".

Denn noch verfüge Niki über die Aircraft Operating Certificates, also die für den Betrieb einer Fluglinie notwendige gewerbliche Berechtigung. Flöther ist zugleich Insolvenzverwalter der Niki-Mutter Air Berlin. Im vorläufigen Gläubigerausschuss sitzen Vertreter von Tuifly, der Leasinggesellschaft Falcon Aero Space und der Bundesagentur für Arbeit.

"Jetzt müssen wir einmal einen Überblick bekommen, was es überhaupt zu kaufen gibt", sagt Lauda. Das begann sich am Donnerstagabend schemenhaft zu zeigen: Rechtlich können Interessenten nicht mehr die Niki Luftfahrt GmbH kaufen, sondern nur deren Vermögenswerte, die allerdings schuldenfrei, dafür aber ohne Buchungssystem, denn Niki nutzte die Infrastruktur ihrer Mutter.

Den Deal, sofern ein solcher aus der Masse heraus zustande kommt, "mache ich jetzt einmal allein mit Asenbauer (Anwalt Haig Asenbauer, Anm.)". Wie Creditreform-Chef Weinhofer kritisiert auch Lauda den Schritt der Niki-Geschäftsführung, das Insolvenzverfahren in Berlin zu beantragen: "Das ist unverständlich, alles wird verlangsamt und kompliziert. Es geht wertvolle Zeit verloren."

Neun Maschinen in Schwechat

Eine Niki-Sprecherin begründete den Schritt ähnlich wie das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg: Maßgeblich sei der "Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Schuldnerin". Dieser liege in Berlin, auch weil Niki gesellschaftsrechtlich mittelbar in die Air-Berlin-Unternehmensgruppe eingegliedert sei. Auch sei die Mehrheit der von Niki geleasten Flugzeuge in Deutschland stationiert, von Deutschland hebt mit 156 pro Woche der überwiegende Teil der Flüge ab; in Österreich starten nur 20.

Auf dem Flughafen in Schwechat stehen laut Auskunft des Airports neun Maschinen, davon drei im Niki-Hangar, sechs auf dem Flughafenvorfeld. Die Fühler Richtung Niki streckt auch wieder Condor aus, die Fluglinie des Reiseveranstalters Thomas Cook. Condor prüfe weiterhin alle Optionen einschließlich des Kaufs von Niki oder Teilen des Unternehmens.

Auch der irische Billigflieger Ryanair erwägt den Kauf von Teilen von Niki. Das Unternehmen habe deswegen die Verwaltung der Niki Luftfahrt GmbH kontaktiert, teilte Ryanair am Freitag mit. Ryanair hatte zuletzt Interesse an den Start- und Landerechten von Niki am Berliner Flughafen Tegel signalisiert.

Lufthansa weist Vorwürfe zurück

Nicht übernehmen will den von Lufthansa und Niki ausgespielten schwarzen Peter die EU-Kommission. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager weist eine Mitschuld der Kartellwächter an der Niki-Pleite zurück. Dem Air-Berlin-Insolvenzverwalter und den involvierten Airline-Chefs sei von Anfang an gesagt worden, dass es aus Wettbewerbssicht große Bedenken gegen einen Niki-Verkauf an Lufthansa gebe, sagte Vestager. Es trage nicht zur Glaubwürdigkeit bei, sich hinter dem falschen Vorwand zu verstecken, dass die EU-Kommission die Übernahme von Niki untersagt hätte, legte der Vertreter der EU-Kommission in Wien, Jörg Wojahn, nach.

Wiewohl die Passiva von Niki noch nicht ermittelt sind: Der Reisekonzern Tui meldete bereits 20 Millionen Euro Schaden. Niki habe die letzte Rate für die samt Personal geleasten Tuifly-Jets noch nicht bezahlt. Diese Summe müsse Tui voraussichtlich abschreiben.

Außerdem geht die deutsche Regierung davon aus, dass der nach der Air-Berlin-Insolvenz gewährte staatliche Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro möglicherweise nicht in voller Höhe zurückgezahlt wird. "Es ist richtig, dass, indem jetzt Niki Insolvenz angemeldet hat, Verkaufserlöse aus diesem Vertragsteil natürlich nicht zur Verfügung stehen", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Freitag. (Luise Ungerboeck, red, 14.12.2017)