FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und ÖVP-Chef Sebastian Kurz am 9. Oktober in der ORF-Wahlkonfrontation.

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Wien – Das Medienkapitel im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist umfassender und detaillierter als viele davor. Ausdrücklich lehnt das Papier einen Verkauf von ORF-Sendern ab. Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF – für den er Gebühren bekommt – ist laut Programm "genau" zu formulieren. Und das Programm macht hellhörig mit einer "Verschärfung der Transparenzbestimmungen zur Sicherung einer objektiven und unabhängigen Berichterstattung" im ORF.

Die Regierung will eine gemeinsame Online-Vermarktungsplattform von ORF und privaten Medien ermöglichen – ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel sprach sich in dem Zusammenhang schon dafür aus, Private von ORF-Digitalwerbeeinnahmen profitieren zu lassen.

Die Verlautbarungspflichten für Unternehmen in der "Wiener Zeitung" sollen fallen – und damit die wichtigste Geldquelle der republikseigenen Zeitung. Wörtlich heißt es im Programm: "Veröffentlichungspflichten in der 'Wiener Zeitung' sollen fallen", und weiter hinten im Wirtschaftsteil des Programms: "Streichung der Pflichtveröffentlichung in der 'Wiener Zeitung'".

Google und Facebook

Das Regierungsprogramm nimmt sich die umfassendere Besteuerung von Google, Facebook und andere Plattformen vor, zudem Urheber-, Medien- und Leistungsschutzrecht für die internationalen Digitalriesen. Für Mediendienste wollen ÖVP und FPÖ Ausnahmen von der EU-Datenschutzverordnung. Hintergrund: Sie könnte Onlinewerbung massiv erschweren.

Neue Medienbehörde, "straffere" Förderungen

Einige Punkte des Regierungsprogramms lassen noch viel Interpretationsspielraum. Etwa eine "neue Struktur" für die Medienbehörde Komm Austria und ihre RTR GesmbH. Oder die "Straffung" von Förderungen etwa im Film und stärker an Digitalisierung und journalistische Qualität gebundene Medienförderung.

ORF-Pläne: GIS-Gebühren, "verschärfte" Regeln, Österreich-Quote

Was nimmt sich das Regierungsprogramm für den ORF noch vor?

Die Rundfunkgebühren kommen nicht explizit vor. Aber im Programm steht allgemein: "Ganz ohne öffentliche Teilfinanzierung wird es nicht möglich sein, österreichische Identität in den Medien auf Dauer zu sichern." Und: "Zudem müssen im Lichte eines sich verändernden Medienkonsumverhaltens strukturelle und finanzielle Reformen umgesetzt werden." Das dürfte (wie berichtet) darauf hindeuten, dass sich ÖVP und FPÖ doch mit dem bisher gebührenfreien Onlinezugang zu ORF-Inhalten beschäftigen wollen. Bisher gilt laut Verwaltungsgerichtshof: keine GIS-Gebühr für Streaming, weil das Gesetz Gebühren nur für Rundfunk vorsieht.

"Möglichst vielen Menschen möglichst qualitativ hochwertige Information zur Verfügung stellen", verspricht das Regierungsprogramm als Ziel – im Zusammenhang mit einem neu für die digitale Medienwelt formulierten Auftrag.

Für die ORF-Information wollen ÖVP und FPÖ genauere Regeln. Im Regierungsprogramm steht dazu: "Verschärfung der Transparenzbestimmungen zur Sicherung einer objektiven und unabhängigen Berichterstattung."

Zum genaueren ORF-Auftrag findet sich im Programm etwa: "Neben österreichischen Inhalten sind auch die Leistungen österreichischer Künstler, Sportler und Produzenten für die nachhaltige Identitätssicherung entsprechend im öffentlich-rechtlichen Auftrag als Schwerpunkt zu verankern. Österreichische Künstler sind in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstärkt und nachhaltig zu fördern."

(Update) Genauer wird da das Kultur-Kapitel des Regierungsprogramms. Dort steht: Prüfung einer angemessenen "Österreich-Quote" im Programm von öffentlich-rechtlichen Medien zu reichweitenstarken Sendezeiten, speziell beim Radiosender Ö3, sowie Prüfung einer gesetzlichen Bestimmung, wonach ein angemessener Anteil der Programmentgelte für die heimische Produktion von Spielfilmen, Dokumentationen und Fernsehserien zu verwenden ist." Gegen Programmquoten und Vorgaben für Gebührenverwendung hat sich der ORF bisher stets vehement zu wehren versucht – etwa als Eingriff in die Programmhoheit des ORF. (Update)

Zur gemeinsamen digitalen Vermarktungsplattform "der österreichischen Medienlandschaft (ORF und Private), um österreichische Public-Value-Inhalte von nationaler und regionaler Relevanz im digitalen Raum zu stärken und wettbewerbsfähig zu machen", findet sich noch: "Dem ORF mit seiner digitalen Plattform kommt neben dem freien Wettbewerb der privaten Anbieter eine besondere Rolle und Sonderstellung zu, die im Zusammenhang mit den digitalen Plattformen der anderen Medienunternehmen besonders definiert werden muss."

Ziemlich konkret kündigt das Regierungsprogramm eine "Harmonisierung der freien Betriebsvereinbarungen mit dem Kollektivvertrag 03 sowie der Sonderpensionsregelungen mit dem ASVG-System" an. (Im ORF gibt es derzeit zumindest fünf verschiedene Grundlagen für Anstellungen – neben einer Handvoll Kollektivverträge von zwei Versionen 1996 bis 2014 auch noch eine "freie Betriebsvereinbarung" für die dienstältesten Mitarbeiter. Das sind rechtlich Einzelverträge, kollektiv schwer zu ändern.)

Die Strukturen und Gremien des ORF sollen etwas vage "weiterentwickelt" werden – mehr zu den Überlegungen für Stiftungsrat und Co finden Sie hier und hier (blaue Führung für den Stiftungsrat). Da geht es nach STANDARD-Infos um ein Präsidium, mit dem sich die ORF-Führung laufend "abstimmen" soll, und um einen Vorstand mit drei bis vier Mitgliedern statt des bisherigen Alleingeschäftsführers (derzeit: Alexander Wrabetz).

Das neue ORF-Gesetz und andere Medienpläne sind deklariertes Thema für eine Medienenquete im Frühjahr 2018.

Das Regierungsprogramm wird stellenweise sehr detailliert: "Mehr produktionskostenfreie Übertragungszeiten für 'Randsportarten'" (FPÖ-Verhandler Norbert Steger engagiert sich sehr für Basketball).

Ohne konkrete Quote (wie sie das SPÖ-Wahlprogramm vorschlug) versprechen ÖVP und FPÖ "mehr 'Airplay' für junge österreichische Künstler und Produktionen".

Das Regierungsprogramm kündigt einen "jährlichen Public-Value-Bericht des ORF im Parlament" an. Einen Jahresbericht über die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags gibt es seit vielen Jahren – er geht an das Kanzleramt und ist weiterzuleiten ans Parlament. Womöglich wird er nun dort auch ausführlicher behandelt.

Medienförderungen: Digital, journalistisch, ländlich

ÖVP und FPÖ wollen "die Treffsicherheit und Effizienz aller Förderinstrumente im Medienbereich prüfen und gegebenenfalls reformieren". Sie kündigen etwa eine "Straffung und bessere Übersicht der unterschiedlichen Fördertöpfe (etwa im Bereich der Filmförderung)" an.

Das Regierungsprogramm avisiert "stärkere Zweckbindung von Förderungen für Maßnahmen zur Anpassung an Digitalisierung sowie zur Stärkung journalistischer Qualität, insbesondere über Aus- und Weiterbildung von Journalisten im eigenen Betrieb sowie in einschlägigen Institutionen". Als "Grundsatz" definiert es da: "Geld für Wandel".

Zeitungen verspricht die neue Regierung "Rechtssicherheit im Bereich der Zeitungszusteller". Hier geht es um die Definition als Dienstnehmer oder Dienstleister – ein viele Millionen schwerer Unterschied.

"Evaluieren" will die neue Regierung die vierteljährliche Veröffentlichungspflicht eines Großteils der Werbebuchungen öffentlicher Institutionen – wie Ministerien, Länder, Firmen im Staatsbesitz. Das Ziel der "Entbürokratisierung" der sogenannten Medientransparenz klingt nach weniger detaillierten Daten über über die Buchungen.

Deklarierter Förderschwerpunkt sind öffentlich-rechtliche Inhalte "unabhängig ob Privat-TV (Fernsehen, Radio oder Online) oder ORF zur Stärkung des ländlichen Raums".

Neue Technologien aus Österreich will die Regierung "forcieren" und "relevante innovative Unternehmen und Start-ups zielgenau unterstützen" und technologisches Know-how aufbauen.

Privatsender-Regeln: "Verpflichtend vorreihen"

Den bisher bis auf Kronehit und 88.6 regionalen und lokalen Privatradios sollen "österreichweite Sendungen" erleichtert werden, die Digitalisierung im Radio wollen ÖVP und FPÖ "forcieren".

Kabelnetze, terrestrische Rundfunksender und auch Satellitenanbieter wollen ÖVP und FPÖ verpflichten, Programme mit österreichischen Inhalten einzuspeisen und auch vorzureihen.

Steuern, Leistungsschutz, Copyright für Google und Co

Digitale Medienpläne der neuen Regierung gegenüber internationalen Online-Multis und für österreichische Anbieter: Wenn eine EU-Regelung ausbleibt, dann soll es eine "nationale Lösung zu Leistungsschutz- und Urheberrechten für den digitalen Raum" geben. Die medienrechtliche Behandlung von Facebook, Google und Youtube soll "geklärt" werden.

Für Mediendienste wünschen sich ÖVP und FPÖ eine E-Privacy-Ausnahmeregelung von der europäischen Datenschutzgrundverordnung, "um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Onlineunternehmen zu schaffen".

Um die Besteuerung internationaler Onlinewerberiesen – genannt werden die Marktführer Google und Facebook – zu "erzwingen", will die Regierung das Prinzip der "digitalen Betriebsstätte" "forcieren".

Für "neue Medien" will die Regierung eine Impressumspflicht einführen. Wohl gemeint: Auch für Seiten auf Social Media. (Harald Fidler, 16.12.2017)