Der Meister und die Seinen: Johanna Mikl-Leitner (links) hat am 28. Jänner die erste von vier Landtagswahlen 2018 zu schlagen.

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"Zusammen. Für unser Österreich." Schon der Titel des Regierungsprogramms wirkt wie die Verhochdeutschung von "Fein sein, beinander bleiben". Diese unausgesprochene Beschwörung der Haltbarkeit des türkis-blauen Bündnisses bleibt auf den netto 160 Seiten durchgehend spürbar. Mehr als hundertmal ist vom Evaluieren die Rede. Keine Spur vom forschen "Speed kills", dem heimlichen Untertitel des schon in der Devise deutlich dynamischeren "Österreich neu regieren" vom Februar 2000.

Die türkis-blauen Inhaltskinder des Schüssel/Haider-Kontrakts gehen es zumindest im Ton sanfter an. Sie haben 60 Tage weniger gebraucht, und inklusive Vorwort, Prinzipien und Präambel 42 Seiten mehr geschrieben als ihre Prototypen vor 18 Jahren. Der Kurz/Strache-Pakt wirkt auch in Papierform wie die Faserschmeichlervariante der einstigen Wende. Er setzt vor allem fort, was die Verhandlungen von ÖVP und FPÖ in den 64 Tagen seit der Nationalratswahl ausgezeichnet hat: große Disziplin in der gemeinsamen Kommunikation.

Diese augenscheinliche Vorsicht gilt nicht nur für das Miteinander, sondern auch im Untereinander – insbesondere bei jener neuen Volkspartei, die sich vorerst noch der alten Stärken besinnen muss. Ihre Kraft kommt aus den Ländern. Die neue Bundesregierung versucht, ausgerechnet diese regionale Verwaltungsebene an die Kandare zu nehmen. Das geschieht schon deshalb nicht explizit, weil Zentralisierung als rotes Mantra gilt. Doch die Formulierungen in Nebensätzen sind verräterisch: Von "Harmonisierung" und "Einbindung" bis zu "übergreifend" und "einheitlich" hagelt es Anschläge auf die Alarmglocken der Föderalisten. Das wirkt auf den ersten Blick wie eine blassblaue Männerschrift. Quasi als paradoxer Ausgleich für das widersprüchliche Bekenntnis zu einem subsidiären Europa, das die Programmschreiber noch öfter beim Namen nennen als die omnipräsente "Evaluierung".

Entmachtung von Regionalherrschaft

Eine Entmachtung von Regionalherrschaft muss allerdings letztlich auch das Ziel von Sebastian Kurz sein. Wolfgang Schüssel konnte ab 2000 die Bundespartei als bisher Einziger zu einem wirklichen Schaltzentrum aufwerten. Vor und nach ihm war sie kaum mehr als eine ohnmächtige Holding von schwarzen Länder- und Bündeinteressen. Die Generalvollmacht für Kurz klingt besser, als das Instrument ist – graue Theorie. Auch hier wiegt die Kommunikation schwerer als der Inhalt. Schon die letzten Tage der türkisen Ministerfindung haben gezeigt, dass die schwarzen Regionalkaiser sich nicht als Filialleiter bescheiden wollen. Ihr Anspruch wird in den kommenden vier Monaten noch deutlich wachsen. Denn bei den Landtagswahlen in Niederösterreich (28. Jänner), Tirol (25. Februar), Kärnten (4. März) und Salzburg (22. April) kann die ÖVP eigentlich nur gewinnen – wie die FPÖ.

Der SPÖ bleibt unterdessen nur jene Selbstfindung, die Christian Kern hier inhaltlich an dieser Stelle in einem "Kommentar der anderen" noch als Kanzler angedeutet hat, die aber personell vor ebenfalls hausgemachten Regionalbefindlichkeiten stockt. Den Sozialdemokraten droht als Worst Case ein konfliktbeladener Wiener Parteitag am 27. Jänner und eine verheerende Niederlage tags darauf in Niederösterreich. Dort treten sie als Liste Franz Schnabl an. Diese Verbiegung statt Bewegung lässt die Volkspartei schon heimlich von einer erneuten absoluten Mehrheit gleich beim ersten Antreten von Johanna Mikl-Leitner träumen. Während die Grünen ums Überleben kämpfen, geht es bei der 2013 gleich schwachen FPÖ zumindest ums Verdoppeln ihrer damals nur acht Prozent.

Vier Wochen danach droht in Tirol Günther Platter ebenso wenig wirkliche Konkurrenz. Dort buhlen Grün, Rot und Blau darum, zum Juniorpartner der ÖVP zu werden. Lediglich das von Fritz Dinkhauser gegründete Bürgerforum bleibt auch mit Andrea Haselwanter-Schneider auf klarem Oppositionskurs.

Spannung in Kärnten

In Kärnten hingegen wird es am ersten März-Wochenende spannend. Die Abschaffung des Proporzes könnte dazu führen, dass die SPÖ unter Peter Kaiser auch bei 40 Prozent der Stimmen nicht mehr regierte – wenn die wiedererstarkte FPÖ und eine vom Kurz-Effekt getragene ÖVP eine blau-türkise Mehrheit erreichen. Die gespaltenen Grünen gelten dort als kaum noch fähig, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Die Sozialdemokraten müssen ausgerechnet auf den Wiedereinzug eines Abtrünnigen hoffen: Doch Gerhard Köfer, der nach Stronach nun mit dem Team Kärnten antritt, hat soeben eine Abgeordnete an die FPÖ verloren.

Weitere sieben Wochen später hat es Wilfried Haslauer in Salzburg hingegen nicht ganz so komfortabel wie seine schwarzen Parteifreunde in Innsbruck. Doch eher überholen hier die Blauen unter der 25-jährigen Marlene Svazek Rot wie Grün und drängen sich als Koalitionspartner auf.

Wehe dem Kanzler, der durch allfällige harte Wendepolitik solche Favoritensiege vereitelt. Kurz hat sehr wenig Spielraum für die grundsätzliche taktische Notwendigkeit, alle unpopulären Maßnahmen möglichst schnell zu setzen. Was im ersten Halbjahr wegen der Landtagswahlen nicht geht, wird im zweiten Halbjahr wegen Österreichs EU-Vorsitz schwierig. Zudem wirkt sein Regierungsteam politisch unerfahrener als jenes der FPÖ. Die angeblich neue ÖVP wird vorerst weder über diese Koalition stolpern noch an der Opposition scheitern. Doch die alte Volkspartei steht ihr im Weg. (Peter Plaikner, 18.12.2017)