Der Schweinsfuß ist ein ziemlich verlässlicher Gradmesser für Esskultur. Dort, wo er (noch oder wieder) gegessen wird, ist die Welt kulinarisch auch sonst in Ordnung, und hat ein Koch oder ein Wirtshaus Schweinsfußrezepte im Repertoire, dann ist ziemlich sicher auch der Rest ziemlich gut. (Bevor wer schreit: Das gilt natürlich nicht für Weltgegenden, in denen das Schwein in seiner Gesamtheit abgelehnt wird. Hier übernimmt diese Rolle der Lamm- oder Kalbsfuß).

Das liegt daran, dass Schweinefüße ihren Köchen und Essern ein wenig Hingabe abverlangen. Roh sind sie keine kulinarische Offenbarung: zäh, hart, fast fleischlos, dafür zwischen den Zehen borstig – wer so etwas köstlich hinbekommt, der kann kein ganz schlechter Koch sein, und wer ihn mit Genuss verzehrt, der ist kein ganz schlechter Esser. Er oder sie muss Freude finden an verschiedenen, teils ungewöhnlichen Konsistenzen und kräftigen Aromen und muss bereit sein, sich für den Genuss ein wenig zu plagen (die kleinen Knochen wollen schließlich abgenagt werden).

Foto: Tobias Müller

Weil gut zubereitete Schweinsfüße nicht nur köstlich, sondern auch üppig sind, haben sie im "Gruß aus der Küche" eine bereits langjährige Silvestertradition. Nach Schweinsfußrolle (ausgelöst, gewürzt, gepresst und gebraten) und chinesischen Schweinsfüßen in Erdnusssauce (in Stücke gehauen und geschmort) habe ich mich heuer an ein bereits einmal gescheitertes Projekt gewagt, das für mich die Königsdisziplin des Schweinsfuß-Connaisseurs ist: das Schweinsfußfüllen.

Meistverbreitet ist der gefüllte Schweinsfuß daher in kulinarisch großen Kulturen: Die Franzosen, große Schweinsfußfüller, nehmen gern Foie gras als Farce, die so veredelten Füße werden kalt genossen oder auf den Grill geworfen und gegrillt. Die Italiener füllen ihre Schweinefüße meist mit Wurstmasse und nennen das Ergebnis dann Zampone, ein beliebtes Neujahrsgericht. Die berühmtesten aller gefüllten Schweinsfüße aber kommen ausgerechnet aus England.

Bries, Hühnermousse und Morcheln

"Pied de Cochon Pierre Koffmann" werden mit einer Mischung aus Bries, Hühnermousse und getrockneten Morcheln gefüllt, mit klassischer Sauce übergossen und samt extra buttrigem Kartoffelpüree serviert. Ihr Schöpfer, Pierre Koffmann, wurde im Südwesten Frankreichs geboren und ging, so will es die Legende, nach England, um ein Rugbyspiel zwischen England und Frankreich zu sehen. Aus irgendeinem Grund blieb er und bekam in seinem Londoner Restaurant Tante Claire als einer der ersten außerhalb Frankreichs drei Michelin-Sterne verliehen.

Das Signature-Gericht des Lokals: Schweinsfüße mit einer Mischung aus Bries, Hühnermouse und getrockneten Morcheln gefüllt, mit Sauce aus zweierlei Tier (Kalb, Huhn) übergossen und, weil an so einem Schweinsfuß nicht viel dran ist, mit extra buttrigem Erdäpfelpüree serviert. Marco Pierre White, ebenfalls mit drei Sternen ausgezeichneter Koffmann-Schüler, bezeichnete das Rezept als sein unangefochtenes Leibgericht: "Wäre dieses Gericht ein Bild, es würde in der Tate hängen", schrieb er. "Einfach und erdig, gleichzeitig elegant und intelligent. Man kann es nicht mehr weiterentwickeln. Es ist ein vollendetes Gericht." Um seinen Meister zu ehren, verewigte er es in seinem legendären Buch "White Heat" als "Pied de Cochon Pierre Koffmann".

Nicht einfach

Ich widerspreche Mr. White nur ein bisschen. Schweinsfüße "Pierre Koffmann" sind nicht einfach. Die Füße müssen erst roh entbeint, dann stundenlang weich geschmort und schließlich gefüllt und wieder zusammengesetzt werden, bevor sie vorsichtig in Klarsichtfolie gewickelt gar ziehen dürfen. Die Sauce allein braucht einen Tag, so man den Kalbsfond selber macht, und für die Füllung muss das Bries enthäutet und gebraten und aus Hühnerbrüsten und Obers eine emulgierte Mousse gemacht werden.

Wer sich aber nicht einschüchtern lässt, etwas plant und gut einkauft, wird mit einem Mahl belohnt, das jedes Festes würdig ist: Die weiche, üppige Schweinshaut schmiegt sich um die cremige Füllung, mit der sich die sämige Sauce aufsaugen lässt. Die kräftigen Geschmäcker nach Schwein und Bries und Pilz harmonieren wunderbar. Und à la Pierre Koffmann angerichtet ist das Gericht von zeitloser Schönheit: Ein rötlich glänzender, ganzer Schweinsfuß thront auf einem üppig dunkelbraun schimmernden Saucenspiegel, darüber lockt eine üppig-wollüstige Wolke cremigen Erdäpfelpürees.

Bis vor gar nicht allzu langer Zeit konnte man die berühmten Schweinsfüße Pierre Koffmann beim Meister höchstselbst in London probieren. Leider hat er sein Restaurant vergangenes Jahr zugesperrt. Das ist traurig, aber ein weiterer guter Grund, sich selbst endlich an die Arbeit zu machen.

Schweinsfüße Pierre Koffmann

Vorweg: Schweinsfüße Pierre Koffmann machen im Endeffekt weniger Arbeit, als man (ich) denkt. Ich habe meine – vier Stück – an einem ziemlich verkaterten Sonntag zubereitet, von zehn in der Früh bis etwa sieben am Abend ging sich das mit reichlich Pausen und recht gemütlich aus. Das Kalbsfondmachen habe ich zugegeben ausgelagert – bitten Sie einen kulinarisch versierten Mitesser um diesen Beitrag. Wenn Sie zeitlich auf Nummer sicher gehen wollen: Das Entbeinen und Schmoren der Füße lässt sich wunderbar auch am Vortag erledigen. Denken Sie daran, die Füße rechtzeitig beim Fleischer Ihres Vertrauens zu bestellen. Marco Pierre White empfiehlt, nur mit hinteren Schweinsfüßen zu arbeiten.

Foto: Tobias Müller

Die folgenden Mengenangaben reichen für sechs Schweinsfüße, mit Vor- und Nachspeise reicht ein Schweinsfuß wiederum für einen Esser. Es schadet aber nicht, einen extra Schweinsfuß zuzubereiten. Einerseits, weil man nie weiß, ob nicht doch was schiefgeht, und andererseits, weil er auch am nächsten Tag zum Frühstück noch hervorragend schmeckt.

Schritt 1: Fond kochen

Das wird schon hier abgehandelt beziehungsweise finden sich dafür zahlreiche Rezepte anderswo. Demi-glace, also ordentlich eingekocht, ist der ideale Fondzustand. Halten Sie für vier bis sechs Esser etwa einen Liter bereit, gern auch tiefgekühlt, lieber nicht im Geschäft gekauft.

Schritt 2: Die Füße entbeinen

Ist der Schweinsfuß einmal gegart, lässt er sich zwar viel leichter entbeinen, allerdings besteht die sehr große Gefahr, dass die Haut beim Garen auseinanderfällt und nurmehr ein Brei statt einer schönen Ersatzwurst übrigbleibt. M. Koffmann entbeint sie daher im rohen Zustand – eine sichere und gar nicht so schwierige Methode.

Foto: Tobias Müller

Ich habe ohne Übung etwa vierzig Minuten für vier Füße gebraucht, vor allem deshalb, weil der letzte Fuß sich geziert hat. Die größte Fitzelei ist, wenig überraschend, das Gelenk.

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Weichen Sie die Schweinefüße 24 Stunden in kaltem Wasser ein, dann entfernen Sie etwaige Haare, die noch daran hängen. Am besten geht das mit einem scharfen Messer oder einem Crème-brûlée-Brenner. Fürs Entbeinen nehmen Sie ein kleines scharfes Messer mit guter Spitze. Schneiden Sie zuerst den Fuß auf der Innenseite der Länge nach auf und fahren Sie dann mit der Messerspitze rundherum am Knochen entlang, bis sie die ersten Zehen erreichen.

Schneiden Sie auf beiden Seiten durch die Zehengelenke und arbeiten Sie sich dann innen mit der Spitze durch die anderen Gelenke durch, bis Sie den Fußknochen drehen und die letzte Sehne in der Mitte durchschneiden können. Die vorderen Zehenknochen bleiben im Fuß. Am besten verständlich wird das mit einem Video: Hier macht's der Meister selbst, ist auch nicht schlecht.

Schritt 3: Die Schweinsfüße garen

Den Backofen auf 220 Grad vorheizen. Mir kam das auch sehr heiß vor, es hat aber funktioniert.

Eine Zwiebel, eine Karotte und eine Stange Sellerie grob schneiden. In einem schweren Gusseisenbräter kurz scharf anbraten. Mit einem kräftigen Schuss (eher: einem Glas) Weißwein ablöschen und den Wein einkochen lassen. Die Schweinsfüße mit der Haut nach unten einlegen und mit Fond (beziehungsweise Demi-glace, 1:1 mit Wasser verdünnt) bedecken.

Foto: Tobias Müller

Frischen Thymian und Lorbeerblatt nachwerfen, zum Kochen bringen, Deckel draufgeben und rund drei Stunden im Backrohr schmoren. Immer wieder schütteln, damit die Haut nicht anklebt. Bei mir hat sie trotz des Rüttelns ein wenig gepickt, es war aber nicht weiter schlimm. Aus dem Sud nehmen und auskühlen lassen. Entweder gleich oder am nächsten Tag füllen. Den Sud keinesfalls wegleeren: er ist gelatinig und ganz köstlich. Mischen Sie ihn in alles, was ein wenig mehr Körper und Geschmack braucht.

Schritt 4: Die Füllung machen

Die Füße werden mit einer Mischung aus gebratenem Bries, getrockneten Pilzen und Hühnermousse gefüllt. Da für die Sauce zwei Hühnerbeine verwendet werden, empfiehlt es sich, einfach ein ganzes Huhn zu kaufen und die Brüste für die Mousse zu verwenden. Ich habe trotz Pierre Whites warnenden Worten, das Rezept nicht zu ändern, Steinpilze statt Morcheln genommen. Es war fantastisch, ich bin aber sicher, das Ergebnis wäre mit Morcheln noch besser gewesen. Sagen Sie also nicht, ich habe Sie nicht gewarnt.

4.1: Hühnermousse

Zwei Hühnerbrüste (beziehungsweise etwa 200 Gramm Fleisch) klein schneiden und zusammen mit etwas geriebener Muskatnuss und einigen Blättern Estragon pürieren – ein Pürierstab leistet hier gute Dienste. Ein Ei und ordentlich Salz dazugeben und erneut pürieren, bis ein feines Püree entsteht. Mindestens 20 Minuten im Tiefkühler kaltstellen (das ist wichtig, sonst wird es nix mit der Emulsion!). 200 ml Obers und zwei kleine Eiswürfel (die sind auch wichtig!) dazugeben und erneut mixen, bis sich eine schöne Emulsion bildet. Wer noch Lust hat und pedantisch ist, kann sie jetzt durch ein Sieb streichen. Die anderen achten einfach darauf, dass keine großen Stücke Hühnerfleisch stören. Bis zur Verwendung kühl lagern.

4.2 Das Bries

Foto: Tobias Müller

50 Gramm getrocknete Morcheln (oder Steinpilze) mit Wasser bedecken und 30 Minuten weichen lassen. Ein Bries (etwa 500 bis 700 Gramm) so gut es eben geht (meist nicht sehr) von der feinen Haut befreien und in kleine Würfel schneiden. Abschnitte aufheben.

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Die Briewürfel in heißem Öl oder geklärter Butter braten, bis die Würfel rundum schön braun sind, fünf bis zehn Minuten. Wer keine sehr große Pfanne hat, brät lieber in zwei Durchgängen, damit es in der Pfanne nicht zu eng wird. Die eingeweichten Pilze und vier, fünf feingeschnittene Schalotten dazuwerfen, nochmal zwei, drei Minuten braten und in ein Sieb gießen, damit das überschüssige Fett abrinnen kann. Auskühlen lassen.

4.3 Die Vereinigung

Die Bries-Pilz-Schalotten-Mischung mit der Hühnermousse verrühren, bis eine cremige, gebundene Masse entsteht. Bis zur Verwendung kühl stellen.

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Schritt 5: Das Füllen

Einen Schweinsfuß mit der Haut nach unten auf ein Stück Klarsichtfolie legen. Den entbeinten Teil mit der Bries-Hühner-Pilz-Masse füllen, sodass er in etwa wieder die ursprüngliche Form hat. Fest in die Klarsichtfolie einwickeln. Mit allen Schweinsfüßen wiederholen, dann mindestens zehn Minuten im Kühlschrank kalt stellen.

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Schritt 6: Die Sauce

Die Sauce lässt sich auch vorbereiten, etwa während die entbeinten, noch nicht gefüllten Schweinsfüße im Rohr garen.

In einem Topf zwei Hühnerkeulen und etwaige Briesreste beziehungsweise -Abschnitte in etwas Öl rundum braun anbraten. 100 Gramm Champignons, in Scheiben geschnitten, 100 Gramm gehackte Schalotten, eine halbierte Knoblauchknolle, etwas frischen Thymian und ein Lorbeerblatt dazugeben und kurz braten. Mit einem kräftigen Schuss Cherry-Essig ablöschen und einkochen lassen. Das Ganze mit einem kräftigen Schuss Cognac wiederholen. Mit einem knappen halben Liter Madeira aufgießen und unter Rühren einkochen, bis der Großteil der Flüssigkeit verdampft ist.

Genug Kalbsfond und nötigenfalls Wasser dazugießen, damit die Hühnerbeine bedeckt sind. Eine weitere Handvoll getrocknete Morcheln/Steinpilze einstreuen und etwa 40 Minuten köcheln lassen. Abseihen und je nach gewünschter Konsistenz reduzieren.

Schritt 7: Das große Finale

Etwa eine halbe Stunde vor dem Servieren einen großen Topf Wasser zum Kochen bringen. Die eingewickelten Schweinsfüße hineinlegen und erneut zum Kochen bringen. Die Hitze abschalten, einen Deckel darauflegen und die Füße gar ziehen lassen, etwa 15 Minuten.

Foto: Tobias Müller

Die Sauce mit Zitronensaft abschmecken und heiß machen. Kleine Stücke kalter Butter mit einem Schneebesen einrühren (Monter au beurre), bis sie die gewünschte Konsistenz hat.

Die Schweinsfüße aus dem Wasser nehmen (am besten mit einem Schaumlöffel), auswickeln und auf einen Teller mit super buttrigem Erdäpfelpüree legen. Den Fuß mit der Sauce ordentlich übergießen, mehr Sauce rund um den Fuß verteilen. Ich konnte es mir, perfektes, nicht verbesserbares Rezept hin oder her, nicht verkneifen, noch eine Trüffel drüberzuhobeln. Halten Sie das ganz wie Sie wollen.

Servieren, kurz stolz in Schönheit schwelgen und genießen.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 26.12.2017)

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