Zweimal fiel der Vizekanzler im ORF-Interview Montagabend dem Kanzler und den Journalisten mit dem Südtirol-Thema ins Wort. Dabei stand dieses noch nicht einmal zur Debatte. Heinz-Christian Strache sah keinen Grund zur Zurückhaltung, er platzte nahezu vor Freude: Die von jeher als blaue Herzensangelegenheit definierte Forderung der Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler mit deutscher und ladinischer Muttersprache ist jetzt im Regierungsprogramm verankert.

Das Vorhaben zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich – rechtlich und historisch heikle Fragen, die das Unterfangen erschweren, aber nicht prinzipiell verunmöglichen. Doppelstaatsbürgerschaften sind auch in der EU Realität. Es ist die Frage der Umsetzung, die enorme Sprengkraft birgt. Wer hier kein Feingefühl an den Tag legt, droht das friedliche Zusammenleben in Südtirol, dem ein langer, schmerzvoller Prozess vorausging, zu beschädigen.

Der sezessionistische Traum ist in vielen Teilen Europas nicht erloschen. Wie schnell er auch entgegen jeder Logik disruptive Kräfte entfesseln kann, macht die Katalonien-Krise deutlich. Deshalb geht die regierende Südtiroler Volkspartei, die das Anliegen ebenfalls verfolgt, behutsam vor. Sie spricht von "Doppelstaatsbürgerschaft im europäischen Geist", distanziert sich von "nationalistischen, revisionistischen und sezessionistischen Ansätzen". Die FPÖ hingegen täuscht hier Sensibilität nicht einmal vor. (Anna Giulia Fink, 19.12.2017)