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Die Proteste gegen die Regierung in Rumänien vor der Rechtsuniversität in Bukarest.

Foto: AP Photo/Vadim Ghirda

Bukarest/Wien – Der Warnschuss aus Brüssel wurde nicht gehört: Nur einen Tag nachdem die EU-Kommission wegen einer Justizreform ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen eingeleitet hatte, beschloss Rumäniens Senat ein ähnliches Gesetzeswerk. Auch dieses ist heftig umstritten. Der Justizminister soll mehr Einfluss auf Richter und Staatsanwälte erhalten, Richter sollen bei Justizirrtümern mit ihrem persönlichen Vermögen haften. Richter und Staatsanwälte sollen zudem verpflichtet werden, "sich rufschädigender Aktionen oder Aussagen jeglicher Art gegen die anderen Mächte im Staat zu enthalten".

Damit sind die Bemühungen der regierenden Sozialdemokraten (PSD) und ihres linksliberalen Koalitionspartners Alde, die Justiz in Rumänien umzubauen, aber noch nicht abgeschlossen. In einem nächsten Schritt sollen Korruption und Amtsmissbrauch teilweise entkriminalisiert werden. Hintergrund: PSD-Chef Liviu Dragnea ist wegen Wahlbetrugs vorbestraft, derzeit laufen gegen ihn weitere Verfahren. Auch andere von Verurteilungen bedrohte Spitzenpolitiker könnten von der Reform profitieren. Außerdem, so vermuten Kritiker, zielen die Änderungen auf eine Einschränkung der Handlungsfreiheit der zuletzt höchst erfolgreichen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA ab.

Zunächst ist jedoch der bürgerliche Präsident Klaus Johannis am Zug. Er versucht, die neuen Gesetze zu verhindern, und droht mit einer Verfassungsklage sowie mit einem Referendum über Korruptionsbekämpfung. Auch in der Bevölkerung formiert sich massiver Widerstand. In der Hauptstadt Bukarest und in mehreren anderen Großstädten gibt es seit Wochen immer wieder Proteste.

Stimme der Straße

Bei wortlosen Flashmobs im zentralrumänischen Sibiu stellten sich kürzlich junge Menschen mit Koffern und Trolleys vor den örtlichen PSD-Parteisitz – ein Sinnbild dafür, dass die junge Generation sich angesichts der grassierenden Korruption verdrängt und zur Emigration gezwungen sieht. Gleichzeitig werden in organisierten Kampagnen Parlamentarier in sozialen Medien an die "Stimme der Straße" erinnert. Analysten sprechen bereits von einer "neuen Qualität" der Proteste, die – als späte Folge des politischen Umsturzes 1989 – nun auch die lange erwartete, von einer gesellschaftlichen Mehrheit getragene Mentalitätswende einleiten würde.

In Bukarest bauten die Demonstranten jüngst sogar unter den Blicken der Polizei ein Bühnengerüst ab, das das Bukarester Bürgermeisteramt für einen über Nacht organisierten Christkindlmarkt aufgestellt hatte – ausgerechnet vor dem Parlamentsgebäude, obwohl dort bereits Protestbewegungen angemeldet worden waren. Die Bürgermeisterin Gabriela Vranceanu Firea (PSD) verzichtete schließlich auf die Aktion, die laut Kritikern allein darauf abgezielt hatte, die Demonstrationen zu verhindern. (Laura Balomiri, 21.12.2017)