Generell präferiert die Biologin das Leben auf dem Land – in Wien fand sie aber einen Kompromiss.

Foto: Emanuel Mareco

Wenn es um Sozialsysteme geht, setzen nicht nur Menschen in einer Umwelt voller Gefahren auf Kooperation statt Konkurrenz. Dazu zählen auch Wege, wie sich Tiere um ihren Nachwuchs kümmern. Filipa Cunha Saraiva (27) beschäftigt sich mit der evolutionären Basis eines solchen vielschichtigen Verhaltens: "Cooperative breeding" ist ein Sozialsystem, bei dem neben den Eltern auch andere Gruppenmitglieder die Jungen betreuen.

Ein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt, an dem sie beteiligt ist, erforscht die ökologischen Umstände, die bei bestimmten Fischarten zu einem solchen Verhalten führen. "Die Fische und ich – das war sicher nicht Liebe auf den ersten Blick. Aber dann habe ich begonnen, jeden Tag mit ihnen zu arbeiten und erkannte, wie komplex ihr Verhalten ist. Das hat schon Suchtpotenzial!" Die junge Portugiesin kam nach wissenschaftlichen Stationen in Coimbra und Bern, wo sie bereits mit Fischen arbeitete, ans Labor des Konrad-Lorenz-Instituts an der Vetmed-Uni in Wien.

Generell lässt sich das Thema ihrer Doktorarbeit so erklären: Es wird das Verhalten von zwei Buntbarsch-Arten beobachtet, die ursprünglich aus dem afrikanischen Tanganjika-See stammen. Die eine hält es mit dem eher klassischen Familiensystem: Vater und Mutter ziehen die Jungen gemeinsam auf. Die andere lebt in Familiengruppen, in denen bis zu 20 Helfer dem Brutpaar zur Seite stehen. Frühere Studien konnten zeigen, dass auch Fische, die nicht verwandt waren, halfen, um Mitglieder der Gruppe zu werden. Sie putzten oder verteidigten die Eier und halfen beispielsweise bei der Vorbereitung des Brutplatzes. "Es ist quasi so, als würden die Fische Miete zahlen und ihren Beitrag durch ihr Arbeitspensum leisten."

Die Rolle des Hormons Oxytocin

Das Hauptinteresse von Cunha Saraivas Forschung liegt aber auf den ökologischen Schlüsselfaktoren, die ein solches Verhalten bedingen. Eine Theorie ist dabei, dass die kooperative Art einen höheren Wert des Hormons Oxytocin hat, das auch bei Menschen die Bindung zwischen Mutter und Kind verstärkt. Die Fische könnten sich daher sensibler gegenüber ihrer Umwelt verhalten.

In Experimenten versucht das Team, Junge der ersten Art in der Gruppe der kooperativen Fische aufzuziehen. So könne man ausschließen, dass das Verhalten rein genetisch festgelegt ist. "Diese Arten sind sehr plastisch. Wenn sie schon in einer jungen Phase Informationen speichern, dann können sie dieses Verhalten vielleicht für eine spätere Lebensphase einprägen." Was ist das ultimative Ziel der Forschung? Das Verhalten inklusive Hormonwerten so lange zu beobachten, bis versucht werden kann, die Art auch mithilfe von Hormoninjektionen in eine kooperative zu verwandeln.

Cunha Saraiva fasziniert dabei vor allem die Aussagekraft derartiger Studien: "Am Anfang dachte ich, Fische sind langweilig, aber dann habe ich verstanden, dass man sie für alles verwenden kann – von Verhaltensforschung bis Genetik." Evolutionär gesehen könnte man so auch den Ursprung kooperativer Systeme besser verstehen und etwas über ähnliches Verhalten in Säugetieren aussagen. In Wien versucht die Portugiesin, auch außerhalb des Labors Neues zu entdecken: "Die Arbeit nimmt das Leben schon ziemlich ein. Aber ich liebe es auch, Wien zu erkunden!" (Katharina Kropshofer, 30.12.2017)