Im Kruger-Nationalpark werden Elefanten zur Last: Sie vermehren sich stark, fressen Bäume und Sträucher kahl und bedrohen damit den Lebensraum anderer Arten.

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Kapstadt – Elefanten sind bedroht. Die 2016 veröffentlichte Zählung lässt daran keinen Zweifel: In den vergangenen sieben Jahren schrumpfte ihr Bestand um ein Drittel auf 350.000 Tiere. Schuld an dem Rückgang ist vor allem die Gier auf Elfenbein: Schätzungsweise 20.000 Elefanten schlachten Wilderer Jahr für Jahr ab, durchschnittlich sind das 55 Tiere täglich.

Angesichts solcher Zahlen fällt es schwer, Südafrikas Elefantenproblem ernst zu nehmen. Kann es tatsächlich zu viele Elefanten geben? Die Frage wird auch in Südafrika kontrovers diskutiert. Fakt ist: Südafrikas Elefantenpopulation wächst – eine der wenigen des Kontinents -, und das sorgt nicht nur für Freude. Im Kruger-Nationalpark, dem mit 20.000 Quadratkilometern größten Wildschutzgebiet des Landes, lebt das Gros der Dickhäuter: gut 17.000 Tiere. Damit hat sich ihre Anzahl in 25 Jahren mehr als verdoppelt.

Kopfschuss aus dem Hubschrauber

Der Grund: Südafrika zäunt seine Naturreservate ein und versieht sie mit künstlichen Wasserstellen. So versorgt und geschützt, vermehren sich die Tiere prächtig und werden zur Plage: Sie fressen Bäume und Sträucher kahl, entwurzeln sie und vernichten auf diese Weise den Lebensraum anderer Tiere und Pflanzen.

Um die Artenvielfalt zu schützen, war man schon immer bemüht, die Anzahl der Elefanten in Reservaten zu kontrollieren. In der Vergangenheit auch mit drastischen Maßnahmen: Beim sogenannten Culling tötet man Elefanten vom Hubschrauber aus per Kopfschuss.

Die Methode war in Südafrika bis 1994 erlaubt. Die Population konnte so stabil zwischen 7000 und 8000 Tieren gehalten werden. Das Fleisch wurde in Konserven gefüllt und an die einheimische Bevölkerung verteilt. Der Protest von Tierschutzorganisationen sowie die touristische Bedeutung der Elefanten führten zu einem Verbot.

Kurzfristige Reduktion

2007 wurde das Culling wieder erlaubt, weil sich die Elefanten im Kruger-Park weiter vermehren. Die radikale Methode ist allerdings ethisch fragwürdig und der Nutzen zweifelhaft: Culling reduziert die Anzahl der Elefanten kurzfristig. "Die Methode müsste kontinuierlich angewandt werden, denn nach solchen Ereignissen vermehren sich die Elefanten offenbar umso schneller", sagt Rudi van Aarde von der Universität Pretoria. Ein weiteres schlagkräftiges Gegenargument ist wirtschaftlicher Natur: Rund zehn Millionen Touristen besuchen Südafrika pro Jahr, und das vor allem deshalb, um die beeindruckende Natur zu erleben. Das Erschießen überzähliger Elefanten ist nicht vermittelbar.

Also was tun? "Die Elefanten vermehren sich so stark, weil ihre Lebensweise unnatürlich ist", sagt van Aarde. Normalerweise wandern Elefanten in Laufe der Jahreszeiten auf der Suche nach Nahrung und Wasser umher. Diese beiden Faktoren bestimmen somit die Populationsgröße. Die Wanderungen geben Bäumen und Büschen Zeit, sich vom Appetit der Tiere zu erholen, und wirken als natürlicher Auslesemechanismus, denn viele Jungtiere überleben sie nicht. In Parks mit permanenter Wasserzufuhr stellen Elefanten ihre Wanderungen aber ein.

Wie viele ist zu viel?

Wie viele Elefanten der Kruger-Park verträgt, ist dabei unklar. "Meines Wissens gibt es keine umfassende Studie, die die 'carrying capacity' eines Systems beschreibt", sagt der Biologe André Ganswindt von der Universität Pretoria. Heute zählt beim Management von Elefanten auf jeden Fall nicht mehr ihre bloße Anzahl: "Der Einfluss von Elefanten auf ihre Umwelt korreliert nicht nur mit ihrer Anzahl. Es geht auch darum, wie lange sie sich an einem Ort aufhalten", sagt William Mabasa, Pressesprecher des Kruger-Parks, und das werde durch Faktoren wie Wasser, Nahrung und Schatten bestimmt.

Wer Elefanten kontrollieren will, muss also ihren Lebensraum gestalten. Das heißt vor allem, den Zugang zu Wasser kontrollieren, aber auch Zäune aufbauen oder abreißen sowie den Menschen als Störfaktor nutzen, damit Elefanten sich weniger lang an einem Platz aufhalten.

Was für den riesigen Kruger-Park umgesetzt wird, funktioniert aber nicht zwangsläufig für die rund 80 anderen, wesentlich kleineren Reservate Südafrikas. Der Addo Elephant National Park, das nächstgelegene Wildschutzgebiet von Kapstadt aus, ist gerade einmal 1000 Quadratkilometer groß. Es gibt wenig Möglichkeiten, Büsche und Bäume durch eine Lebensraumgestaltung für Elefanten zu schützen. Viele dieser Parks greifen deswegen auf eine Art Pille für Elefanten zurück.

Fast 100 Prozent zuverlässig

"Die Immunokontrazeption funktioniert fast zu 100 Prozent zuverlässig", sagt Audrey Delsink, Mitglied der Elephant Specialist Advisory Group, "momentan behandeln wir 800 Elefantenkühe in 24 Reservaten in Südafrika." Um diese unfruchtbar zu machen, injizieren ihnen Tierärzte ein Protein namens PZP, das aus der Eizellhülle von Schweinen gewonnen wird.

Die Elefanten bilden daraufhin Antikörper, die sich wie ein Schutzwall um die Eizellen legen und so die Spermien der Bullen blockieren. Das Prinzip klingt einfach, die Anwendung ist jedoch aufwendig: Aus einem Hubschrauber heraus schießen Tierärzte den Elefantenkühen Spritzen in den Rücken. Wird eine Kuh getroffen, platzt zusätzlich eine Farbpatrone und markiert die geimpfte Kuh mit einem Fleck. Die Impfung muss jährlich aufgefrischt werden, geschieht dies nicht, kann die Elefantenkuh wieder trächtig werden.

Länderübergreifende Megaparks

Die Sorge, die niedrigere Geburtenrate könnte das soziale Gefüge einer Elefantenherde durcheinanderwirbeln, scheint unbegründet: "Die sozialen, biologischen und physiologischen Folgen der Impfung werden seit nunmehr 20 Jahren erforscht, und es konnten keine Verhaltensänderungen festgestellt werden", sagt Delsink. "Eine Patentlösung für alle Szenarien gibt es beim Management von Elefanten nicht", sagt Ganswindt. So ließen sich 50 Elefantenkühe etwa problemlos unfruchtbar machen, 5000 hingegen nicht.

Viele Elefantenexperten setzen sich für die Gründung sogenannter Megaparks ein, um eine möglichst natürliche Regulierung der Elefantenbestände zu erreichen. Über Ländergrenzen hinweg sollen Reservate ausgeweitet und miteinander verbunden werden. So soll der Greater Limpopo Transfrontier Park, der im Länderdreieck Mosambik, Südafrika und Zimbabwe entsteht, langfristig 100.000 Quadratkilometer umfassen und Elefanten langfristig vor einer vielleicht noch größeren Bedrohung als der Wilderei retten: dem Verlust ihres Lebensraums. (Juliette Irmer, 1.1.2018)