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Brennende Mülltonne in Teheran

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Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Polizei vor der Universität Teheran

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In Teheran gingen am Samstag AnhängerInnen des Regimes auf die Straße.

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Tränengaseinsatz an der Teheraner Universität

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Präsident Rohani bei der Kabinettssitzung am Sonntag

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Teheran – Trotz Warnungen der iranischen Behörden vor einem harten Eingreifen sind Regierungsgegner in zahlreichen Städten und Dörfern den vierten Tag in Folge auf die Straßen gezogen. In sozialen Medien kursierten am Sonntag Videos, die offenbar Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Protestteilnehmern in mehreren Orten zeigten, darunter in Teheran.

Rohani mahnt zu Gewaltlosigkeit

Der iranische Präsident Hassan Rohani hat den Regierungsgegnern das Recht zu demonstrieren eingeräumt. Auch dürften sie die Regierung kritisieren, zitierte die Nachrichtenagentur Mehr Rohani am Sonntag. Ihr Handeln dürfe aber nicht zu Gewalt führen oder zur Zerstörung öffentlichen Eigentums.

Zugleich wies Rohani Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zurück, der die iranische Führung zur Respektierung der Rechte von Demonstranten gemahnt hatte. Wer Iraner Terroristen nenne, der habe kein Recht, Mitgefühl mit dem Land zu äußern, so der Präsident.

Er sprach denjenigen Polizisten und Sicherheitskräften, die keine Gewalt gegen das Volk angewendet haben, seinen Dank aus und warnte die Jugend, nicht in die Falle von "Ausländern, die den Iran gern im Chaos sehen würden" zu gehen.

Es war das erste Mal seit Beginn der Proteste im Iran am Donnerstag, dass sich Rouhani dazu äußerte. Der geistliche Führer des schiitischen Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat bisher nicht Stellung genommen.

Revolutionsgarden drohen mit "eiserner Faust"

Der Vize-Sicherheitschef der Revolutionären Garden in Teheran, Esmail Kowsari, hatte am Samstag angekündigt, die Demonstranten würden "die eiserne Faust der Nation" zu spüren bekommen, sollte es zu weiteren Unruhen kommen. "Wenn die Menschen auf der Straße gegen hohe Preise demonstrieren wollten, hätten sie nicht diese Slogans rufen und öffentliches Eigentum und Autos anzünden sollen", sagte er der Nachrichtenagentur Isna.

Konservativen Medien zufolge wurde am Samstagabend ein Bürgermeisteramt in Teheran und ein Polizeiauto angegriffen, Demonstranten attackierten demnach auch Banken und kommunale Gebäude in anderen Teilen des Landes. An der Teheraner Universität demonstrierten am Samstag dutzende Studenten gegen die Staatsführung. Sie wurden jedoch von Hunderten regierungstreuen Gegendemonstranten vertrieben. Die Polizei setzte Tränengas ein.

200 Festnahmen

Bei den Protesten in Teheran sind am Samstag rund 200 Menschen festgenommen worden. Das meldete die Nachrichtenagentur ILNA unter Berufung auf den Vize-Gouverneur der iranischen Hauptstadt, Ali Asghar Naserbakht, am Sonntag. Bisher war von dutzenden Festnahmen die Rede gewesen.

Unter den am Samstag Festgenommenen seien "40 Anführer illegaler Versammlungen", das meldete die Nachrichtenagentur ILNA unter Berufung auf den Vize-Gouverneur der iranischen Hauptstadt, Ali Asghar Naserbakht, am Sonntag. Die Gefassten seien der Justiz übergeben worden. Mehrere festgenommene Studenten seien hingegen wieder freigekommen, wurde der Vize-Gouverneur weiter zitiert.

Trump warnt Iran

US-Präsident Donald Trump warnte die iranische Führung angesichts der anhaltenden Proteste vor ihrem Untergang. "Unterdrückerische Regime können nicht ewig bestehen und der Tag wird kommen, an dem das iranische Volk vor eine Wahl gestellt wird", twitterte Trump. "Die Welt schaut hin!" Neben dem US-Militär fürchte die iranische Führung am meisten das eigene Volk.

Regierungstreue Demonstranten in Teheran

Mehrere hundert regierungstreue Studenten marschierten in Teheran gegen die Demonstranten auf. Sie riefen "Tod den Aufwieglern!" und verdrängten die Demonstranten vom Haupteingang der Universität.

ORF-Bericht über die Proteste im Iran
ORF

Die reformorientierte Nachrichtenagentur ILNA zitierte einen Verantwortlichen des Wissenschaftsministeriums, demzufolge es drei Festnahmen gab, zwei Studenten aber wieder freigelassen wurden.

Zwei Todesopfer

Bei Demonstrationen in der Provinz Lorestan im Westiran waren am Samstagabend zwei Menschen getötet worden. Die genauen Umstände waren am Sonntag zunächst unklar. Lokalen Behörden zufolge soll die iranische Polizei an dem Vorfall nicht beteiligt gewesen sein.

Ein Fernsehsender der Revolutionsgarden berichtete unterdessen, "mit Jagd- und Militärwaffen" ausgerüstete Menschen hätten sich unter die Demonstranten gemischt und ziellos in die Menge und auf den Gouverneurssitz gefeuert.

Internet teilweise blockiert

Die iranischen Behörden schränken nach Ausschreitungen bei Anti-Regierungsprotesten den Zugang zu sozialen Medien ein. Die Entscheidung sei aus Sicherheitsgründen getroffen worden, zitierte das iranische Staatsfernsehen eine informierte Person am Sonntag. Betroffen seien der Online-Dienst Instagram und der Messenger-Dienst Telegram.

Der Kanal "Amadnews" auf dem Kurznachrichtendienst Telegram wurde bereits am Samstagabend gesperrt, weil dort dazu aufgerufen Wurde, Polizisten mit Brandsätzen zu bewerfen, teilte Gründer Pavel Durov mit.

Rufe nach Wiedereinführung der Monarchie

Bei einigen Kundgebungen waren Rufe nach Wiedereinführung der Monarchie zu hören, die 1979 mit dem Sturz des Schahs abgeschafft worden war. Andere Demonstranten forderten die Regierung auf, die militärische und finanzielle Unterstützung für Verbündete außerhalb der Landesgrenzen einzustellen und sich stattdessen um die eigene Bevölkerung zu kümmern.

Das staatliche Fernsehen berichtete am Samstag erstmals über die sozialen Proteste und sprach von "gerechtfertigten Forderungen der Bevölkerung". Zugleich verurteilte es die Medien und "konterrevolutionäre" Gruppen im Ausland, die versuchten, die Proteste zu instrumentalisieren.

Trump warnt Regierung

Angesichts der anhaltenden Proteste im Iran hat US-Präsident Donald Trump seine Warnung an die Regierung in Teheran bekräftigt. "Unterdrückerstaaten können nicht für immer Bestand haben", erklärte Trump am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Dazu stellte er ein Video seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung im September, in der er die iranische Regierung scharf kritisiert und als "Schurkenstaat" bezeichnet hatte. "Der Tag wird kommen, an dem das iranische Volk eine Wahl haben wird", zitierte Trump aus seiner eigenen Rede. "Die Welt schaut zu."

Kurz zuvor erklärte der US-Präsident in einem ersten Tweet, die ganze Welt verstehe, dass das iranische Volk einen Wandel wolle. Dieses sei, was die iranische Führung "am meisten fürchtet neben der großen militärischen Macht der Vereinigten Staaten".

Erinnerung an 2009

Am Wochenende waren nach Angaben des staatlichen Fernsehens in mehr als 1200 Städten und Dörfern die alljährlichen Kundgebungen zur Erinnerung an das Ende der Unruhen von 2009 angemeldet. Damals hatten Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten den Iran monatelang in Atem gehalten hatte.

Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von Demonstrationen in Teheran sowie Maschhad. In der zweitgrößten Stadt des Landes hatten am Donnerstag Hunderte Menschen gegen hohe Preise demonstriert und dabei auch Anti-Regierungs-Slogans skandiert. 52 Menschen wurden nach Angaben der Behörden verhaftet. Am Freitag kam es dann zur bislang größten Protestwelle seit 2009, die auch Teheran und andere Städte erfasste.

Präsident Rouhani war im Juni 2013 mit dem Versprechen gewählt worden, die Aufhebung der vom Westen im Atomstreit erlassenen Finanz- und Handelssanktionen zu erreichen. 2015 gelang dies dem Präsidenten, der auch den Verfall der Währung stoppte und die Inflationsrate senkte. Doch die Wirtschaft erholt sich nur langsam, und die Arbeitslosenrate im Iran ist weiterhin hoch.

Reisewarnung

Angesichts der sich zuspitzenden Proteste hat das Außenministerium in Wien seine Reishinweise für den Iran angepasst. "Im Iran kann es derzeit im ganzen Land immer wieder zu größeren Menschenansammlungen kommen", hieß es am Sonntagnachmittag auf der Website. "Besonders am Nachmittag und in den frühen Nachtstunden ist erhöhte Vorsicht geboten."

Generell gelte mit Ausnahme von einigen Grenzgebieten im ganzen Land Sicherheitsstufe 2. Dabei wird darauf hingewiesen, dass "das Fotografieren und das Beobachten von Demonstrationen" zu einer Verhaftung führen könnte. Medienberichte sollten verfolgt und solche Gebiete großflächig vermieden werden. (red, APA, AFP, Reuters, 30.12.2017)