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In den vordersten Reihen der Politik fehlen Frauen bis heute. Insgesamt sind zehn Chinesinnen Mitglieder im Zentralkomite der Partei.

Foto: AP/Guan

"Chinas Frauen können die Hälfte des Himmels tragen": Der weltberühmt gewordene Appell zur Gleichberechtigung wird dem Revolutionär und KP-Gründer Mao Tse-tung zugeschrieben. Der hat das aber nie gesagt. Verbürgt ist dafür ein zweiter ähnlicher Slogan. Er geht auf ein Bonmot Maos im Sommer 1964 zurück. Als der Hobbyschwimmer den Pekinger Stausee durchquerte, holte ihn eine Gruppe kraulender Sportlerinnen ein. Die parteiamtliche Volkszeitung druckte ein Jahr später, was Mao den Schwimmerinnen damals scherzhaft zurief: "Die Zeiten haben sich geändert. Männer und Frauen sind gleich. Was den Genossen Männern gelingt, schaffen auch die Frauen."

Chinesische Sozialwissenschafter durchstöberten alle Werke Maos, konnten dessen angebliche Worte über die Hälfte des Himmels jedoch nicht finden. Bis heute weiß niemand, wer den Spruch letztendlich prägte. Auch im Ausland wurde er während der Kulturrevolution für Fraueninitiative und die Linke zu einem der meistzitierten Mao-Zitate, schrieb Kulturwissenschafter Zhong Xueping im Philosophiemagazin der Nankai-Universität. Mao wurde so Galionsfigur der globalen Emanzipationsbewegung. Zu Unrecht.

Denn dem Großen Vorsitzenden ging es nicht um politische Mitbestimmung der Frauen oder gar ihre Teilhabe an seiner Macht. Er wollte sie aus feudaler Unterdrückung befreien. Mao sprach sich für gleiche Arbeit, gleichen Lohn und gleiche Erziehung aus, um Frauen als Arbeitskräfte und für seine Revolution zu gewinnen.

Krasser Geburtenüberschuss

Wenn es um politische Gleichberechtigung geht, schwimmen Chinas Frauen auch heute den Männern weit hinterher, sagt Sozialanwältin Guo Jianmei, die Chinas erstes Frauenschutzzentrum gegründet hat. Unter der autokratischen Herrschaft von Staats- und Parteichef Xi Jinping, der gerade für eine weitere fünfjährige Amtszeit bestätigt wurde, hat sich Chinas Kluft zwischen den Geschlechtern erweitert. Im November veröffentlichte das Davoser Weltwirtschaftsforum seinen neuen, seit 2006 jährlich erhobenen Gleichberechtigungsindex. Fast überall weitet sich die Kluft aus. China fiel 2017 unter 144 untersuchten Ländern zum dritten Mal hintereinander um einen Platz zurück (auf Rang 100).

Schuld an der Herabstufung Chinas ist der krasse Geburtenüberschuss von Burschen im Vergleich zu Mädchen wegen der zahlreichen Mädchenabtreibungen. Das spiegelt die traditionelle Geringschätzung weiblichen Nachwuchses wider. Sie wurde von den mehr als drei Jahrzehnten erzwungener Ein-Kind-Politik noch verstärkt. Bei der Bewertung der Rolle der Frauen in der politischen Machtausübung kam China 2017 auf Platz 77, um drei Ränge schlechter als 2016. In dem im Oktober neu bestimmten Politbüroausschuss sitzen sieben Männer als Chinas innere Führung.

Im zweitmächtigsten Gremium, dem 25-köpfigen Politbüro, zog die Funktionärin Sun Chunlan als einzige Frau ein. Sie wird vermutlich vom Volkskongress kommenden März als eine der vier Vizepremierminister des Landes ernannt werden und dann für repräsentative Aufgaben zuständig sein. Gerade einmal zehn Frauen sind Mitglieder im neuen 204-köpfigen Zentralkomitee der Partei. Frauenquoten gelten in der Kommunistischen Partei nur für Basisorganisationen. All das steht in frappantem Widerspruch zur wirtschaftlichen Präsenz chinesischer Elitefrauen.

Gleiches Spielfeld

"Da sind sie sogar Weltspitze", sagt Rupert Hoogewerf, Herausgeber der jährlich in Schanghai erscheinenden "Hurun-Milliardärslisten". Für 2017 zählt er 78 "Selfmade-Unternehmerinnen", darunter 49 Frauen aus der Volksrepublik. Politische Mitsprache bringen sie nicht auf die Waage. Doch "wirtschaftlich gesehen gibt es für Frauen und ihre Aufstiegsmöglichkeiten keinen gleichberechtigteren Platz als China", sagte Hoogewerf.

Boomende Privatinitiativen haben seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) die Voraussetzungen dafür gelegt. Das Ende der traditionellen Familienrolle durch die Ein-Kind-Politik habe ihnen mehr Zeit verschafft, ihre eigene Karriere zu planen, während ihre Babys von den Großeltern aufgezogen wurden. "Überall dort, wo Wirtschaftsprozesse nicht mehr von oben geplant, sondern von der Marktnachfrage bestimmt werden," fänden die Frauen ein gleiches Spielfeld vor, sagt Anwältin Guo.

Im Allchinesischen Frauenverband wird der Trend erkannt. Vizepräsidentin Song Xiuyan sprach in ihrem Verbandsmagazin von der neuen "She-Power" ("Frauenkraft"), die besonders in Unternehmen des IT-Bereichs und Innovationsprojekten zum Tragen komme. Auf der Führungsebene würden dort zu 55 Prozent Frauen den Ton angeben. (Johnny Erling aus Peking, 2.1.2018)