Wien – Sich einen neuen Job suchen. Einen, bei dem es nur nette Kollegen gibt, die nicht schon am 1. Jänner im Büro laut das Neujahrskonzert hören. Einen, der Spaß macht und bei dem man entsprechend seinen Qualifikationen eingesetzt wird. Das gehört wohl bei so manchen Österreichern zu den Vorsätzen für das neue Jahr.

Nur von netten Menschen umgeben zu sein ist freilich illusorisch. Aber auch der Wunsch, entsprechend der eigenen Ausbildung eingesetzt zu werden, lässt sich für viele Arbeitskräfte nicht realisieren. Das zeigt eine neue Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), die im Auftrag der Arbeiterkammer erstellt wurde.

Starker Anstieg

Ein zentrales Ergebnis: Knapp ein Fünftel (19,6 Prozent) der Erwerbstätigen war im Jahr 2015 für die betreffende berufliche Tätigkeit formal überqualifiziert. Zum Vergleich: Zu Beginn des Untersuchungszeitraums, im Jahr 1994, waren es nur zwölf Prozent. Die Auswertung basiert auf der Arbeitskräfte-Erhebung der Statistik Austria.

Besonders hoch ist das Ausmaß der Überqualifikation unter AHS-Absolventen, wo gleich 54,1 Prozent Jobs übernommen haben, die nicht ihrer Ausbildung entsprechen. Bei den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) gelten immerhin noch 44,4 Prozent als überqualifiziert.

Frauen öfter betroffen

Keine Seltenheit ist Überqualifikation mittlerweile aber auch bei Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen. Bereits ein Drittel wird unterhalb der höchsten abgeschlossenen Ausbildung eingesetzt. Quer durch alle Gruppen gilt: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Hintergrund ist der generelle Trend zur Höherqualifizierung in den letzten Jahrzehnten. Der Anteil jener Personen, die maximal Pflichtschulabschluss haben, ist seit dem Jahr 1994 von 32 auf nur noch 15 Prozent gesunken, jener mit hochschulischen Abschlüssen ist stark gestiegen – von 9,5 Prozent auf 17 Prozent. Vor allem junge Frauen weisen heute ein deutlich höheres Bildungsniveau auf als junge Männer.

Nicht automatisch Lohneinbußen

Die Verschiebungen in der Berufsstruktur führen allerdings nicht systematisch zu Lohneinbußen, wie die Studienautoren ebenfalls herausfanden. Der Abstand zwischen Hochschulabsolventen und den Erwerbstätigen mit anderen Bildungsabschlüssen ist im Durchschnitt der letzten Jahre sogar etwas größer geworden.

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Junge Frauen sind heute im Schnitt besser gebildet als junge Männer, jedoch auch öfter von Überqualifikation betroffen.
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Allerdings kommt es stark darauf an, was man studiert. So gab es bei den Wirtschaftswissenschaften sowohl bei Frauen als auch bei Männern seit 1994 eine ungünstige Einkommensentwicklung. Die Einkommen von Absolventinnen der Rechtswissenschaften sowie der Medizin haben sich hingegen überdurchschnittlich gut entwickelt. Bei den Männern haben Mediziner, Naturwissenschafter und Techniker die höchsten Stundenlöhne.

Verdrängung

Ebenfalls interessant: Wer nur einen AHS-Abschluss hat, hat heute im Vergleich zu Absolventen einer berufsbildenden mittleren Schule (BMS) keinen Einkommensvorsprung mehr.

All diese Entwicklung haben dazu beigetragen, dass es in bestimmten Bereichen zu einem Verdrängungsprozess am Arbeitsmarkt gekommen ist. Hochqualifizierte junge Arbeitskräfte mussten zunehmend auf berufliche Positionen im mittleren Segment ausweichen, was wiederum zulasten von Personen im mittleren und niedrigen Qualifikationssegment ging. Allerdings gibt es laut der Untersuchung keine flächendeckenden Verdrängungseffekte, was auch mit der gestiegenen Nachfrage nach hochqualifizierten Mitarbeitern zu tun hat.

Als Resümee lässt sich daher sagen: Besonders betroffen von den Anspannungen am Jobmarkt sind einerseits Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, andererseits aber auch AHS-Absolventen, denen eine berufsfachliche Qualifizierung fehlt. In den Gruppen mit berufsbildenden Abschlüssen (Lehre, BMS, BHS) sowie mit Hochschulabschluss sind in einzelnen Bereichen Verdrängungsphänomene zu beobachten. (Günther Oswald, 2.1.2018)