Stefan Kraft, ein Sinnbild.

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Heinz Kuttin steht in der Kritik, aber der Chefcoach der österreichischen Skispringer hat noch keine zündende Idee, wie die gegenwärtige Ergebniskrise überwunden werden könnte.

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Innsbruck – Mit 17 Medaillen kehrten Österreichs Wintersportler vor bald vier Jahren von den Olympischen Spielen in Sotschi zurück. Fünf Stück – drei aus Silber und zwei aus Bronze – steuerten die Nordischen zum insgesamt drittbesten einschlägigen Gesamtergebnis bei. Bei den kommenden Spielen in Südkorea, die am 9. Februar eröffnet werden, droht der nordische Beitrag deutlich bescheidener auszufallen. Dem bisherigen Saisonverlauf nach zu schließen, kämen olympische Podestplätze im Biathlon und in der Kombination eher überraschend. Die Chance, dass der hoffnungsvollen Langläuferin Teresa Stadlober eine Sensation gelingt, ist nicht wesentlich kleiner.

Mannschaftskrisen

Die vorolympische nordische Krise ist vor allem eine Krise der Mannschaften des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV). Und sie ist längst auch im offiziell Sprunglauf geheißenen Skispringen angekommen. Österreichs Frauen sind ohne Daniela Iraschko-Stolz, die sich nach einer Knieoperation auf ein Comeback vorbereitet, nicht konkurrenzfähig. Und wie es um die Herren steht, wurde am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen erstmals deutlich sichtbar, weil Stefan Kraft die Defizite ausnahmsweise nicht überdecken konnte.

Der Doppelweltmeister und Weltcupgesamtsieger, vor Jahreswechsel in Oberstdorf noch auf Rang vier, verpasste den Finaldurchgang, büßte damit alle Chancen auf einen Spitzenplatz in der Gesamtwertung ein und stellte Chefcoach Heinz Kuttin unfreiwillig in den Regen.

Kritik an der Arbeit des bald 47-jährigen Kärntners gibt es schon seit geraumer Zeit. Und zwar nicht nur von Alexander Pointner, der regelmäßig in seiner Kolumne für die Tiroler Tageszeitung, aber auch gerne in Interviews sein Mütchen am vor bald vier Jahren bestellten Nachfolger kühlt. In der Vorsaison war das angesichts des Erfolgslaufs von Kraft und insgesamt drei Österreichern unter den besten zehn des Gesamtweltcups noch deutlich schwieriger. Kuttin findet Pointners Eigencharakterstudien "nicht verständlich und auch nicht akzeptabel. Eine Marketingstrategie auf Kosten anderer zu verfolgen, das geht nicht." Er hat aber größere Sorgen, seitdem Michael Hayböck und Gregor Schlierenzauer durch Verletzungen aus dem Formaufbau gerissen wurden. Dass die Plätze im Weltcupteam mangels nachdrängender Jugend wohlfeil sind, ist Fakt. "Es gibt in Polen, Slowenien, Norwegen und Deutschland wesentlich mehr Skispringer", sagt Spartenchef Ernst Vettori. Herausragende, sofort im Weltcup einsetzbare Talente seien nicht in Sicht.

Große Versäumnisse von Kuttin sieht der Olympionike und zweimalige Tourneesieger allerdings ebenfalls nicht. "Wir hatten eine gute Saison, Kraft sogar eine herausragende. Wir haben versucht, dieses Niveau zu halten." Vorwürfe, Kuttin habe dem Sommer-Grand-Prix zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und möglicherweise Entwicklungen auf dem Materialsektor übersehen, kann Vettori nicht nachvollziehen: "Wir waren beim Grand Prix aus Trainingsgründen nicht voll dabei. Wenn alles passt, kann man alle diese Springen mitnehmen."

Eine schnelle Wendung zum Besseren sieht Vettori nicht, "denn wir haben leider keine Zauberer im Team". Aber unter Kuttin sei im Übrigen noch bei jedem Großereignis zumindest eine Medaille geholt worden.

Strohhalmklammern

Der Chefcoach, zu dem die Springer, allen voran Kraft, stehen, hofft, dass mit der Chance auf einen Spitzenplatz in der Tournee-Gesamtwertung auch der Druck gewichen ist. "Auf dem Bergisel werden wir freiere Sprünge sehen. Und wir werden uns die Ziele mittelfristig setzen." Schlierenzauers Berater Hubert Neuper hofft dagegen inständig auf kurzfristige Besserung, schließlich wird schon am Wochenende nach der Tournee am Kulm geflogen – für den Publikumszuspruch braucht es Österreicher im Aufwind.

Und bis zum ersten Olympia-Skispringen sind es auch nur noch etwas mehr als fünf Wochen. (Sigi Lützow aus Garmisch-Partenkirchen, 2.1.2018)