Mit einem "regime change" im Iran sympathisierende internationale Politiker, Aktivisten und Lobbyisten sehen angesichts der neuen iranischen Demonstrationswelle die Stunde gekommen, ihre Stimme zu erheben: Denn das ist ja ihre Mission. Das ändert nichts daran, dass sie jenen, für die sie vermeintlich sprechen, massiv schaden. Es ist der sicherste Weg, die Proteste zu delegitimieren, die Demonstranten zu diskreditieren – und das Regime in seiner Behauptung zu stärken, es stünden ausländische Agenten dahinter. Dann fällt der Schießbefehl umso leichter.

Keine einheitlichen Ziele

Präsident Hassan Rohani hat in seiner ersten Rede noch versucht, das Dilemma zwischen – seinen Worten nach – berechtigten Unzufriedenheitsäußerungen und prinzipiellen Forderungen nach einem Systemwechsel aufzulösen. Bei den Demonstrationen kommt beides vor: soziale Slogans genauso wie Hassparolen gegen das geistliche Oberhaupt Ali Khamenei. Noch lassen sich keine einheitlichen Ziele ausmachen und noch weniger eine gemeinsame Führung. Ob aus den Einzelprotesten eine einzige große Bewegung wird, ist nicht abzusehen. Die Radikalisierung könnte zum Beispiel dazu führen, dass ein Teil der ursprünglichen Demonstranten wieder zu Hause bleibt.

Dass die Proteste in absehbarer Zeit zu einem Umsturz führen, daran glaubt kaum ein Experte. Der wahrscheinliche mittelfristige Ausgang einer Gewalteskalation wäre wohl ein autoritärer Backlash im Iran – und das endgültige Ende von Rohanis Bestrebungen, den Menschen etwas mehr Luft zum Atmen zu verschaffen. Die krude Wahrheit ist natürlich, dass sich das Bedauern der meisten (nicht-iranischen) Regimegegner im Ausland darüber in Grenzen halten würde: Denn wenn es den Iranern und Iranerinnen halbwegs gutgeht, wird die nächste Revolution noch länger auf sich warten lassen. (Gudrun Harrer, 2.1.2018)