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Experten waren bei, Thema Bitcoins vor Überhitzung.

Foto: Reuters/Ruvic

Wien/Frankfurt – Die kritischen Stimmen zur Kryptowährung Bitcoin werden lauter. Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny will aus Bedenken wegen Geldwäsche mit Bitcoin eine Mehrwertsteuer auf das Zahlungsmittel einführen, "weil es keine Währung ist", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Beteiligte sollten ihre Identität offenlegen müssen. Vom Wort "Digitalwährung" nehmen mittlerweile immer mehr Experten Abstand.

Viel zu schwankungsanfällig sei der Bitcoin, als dass er ein probates Zahlungsmittel sein könnte. Vor drei Wochen war er auf fast 20.000 US-Dollar (16.576,88 Euro) gestiegen, vor zwei Wochen auf annähernd 11.000 Dollar gefallen – um nun wieder bei mehr als 15.000 Dollar zu stehen. Wäre das der Euro, würde wohl Panik bei vielen Menschen ausbrechen.

Nowotny sagte im Zeitungsbericht: "Es kann doch nicht sein, dass wir gerade beschlossen haben, den 500-Euro-Schein nicht mehr zu drucken, um Geldwäsche zu bekämpfen und jedem noch so kleinen Sparverein strenge Regeln aufbrummen, um dann zuzusehen, wie weltweit munter mit Bitcoin Geld gewaschen wird." Man müsse durchsetzen, was bei anderen Finanzgeschäften auch die Grundregel sei: "Alle Beteiligten an einem Geschäft müssen ihre Identität offenlegen. Damit würde Bitcoin zusammenbrechen."

Bei Bitcoin ist insgesamt immer häufiger von einem "Spekulationsobjekt" die Rede: Die Wette darauf, dass man nach dem Kauf immer jemanden findet, der bereit ist, noch mehr Geld für diese Sache auszugeben – die aber die meisten nicht einmal durchschauen. Vornehmlich das ist es, was bei Joachim Goldberg, Blogger und Experte für Verhaltensökonomie, die Alarmglocken schrillen lässt.

Erinnerung an Dotcom-Blase

"Es ist wie damals bei der Dotcom-Blase, als sich nur die Wenigsten ernsthaft mit der Materie der Tech-Unternehmen auskannten, sich aber jeder fragte: Warum bin ich nicht auch dabei?" Goldberg glaubt, dass es unter anderem Geschichten sind, von "dem einen Freund, der über Nacht reich geworden ist", die den Ausschlag geben. Für den Zuhörer bleibe das als Referenz im Gedächtnis hängen, genauso wie die Nachrichten über immer neue Kursexplosionen.

"Jeder Mensch nutzt solche Referenzpunkte", sagt Goldberg. Sie lösten einen Reiz aus, gegen den man sich schlicht nicht immer wehren könne. Damit einher gehe auch die Angst, etwas zu verpassen – in der Anlegerpsychologie oftmals als Fomo ("fear of missing out") bezeichnet. Diese Vorstellung, bei der ständig zitierten Preisrallye nicht dabei gewesen zu sein, versetzt den Investor von vornherein in einen Zustand des Bedauerns. Ein unschönes Gefühl, das jeder Mensch versucht zu vermeiden. Im Zweifelsfall führt das zu einer höheren Risikofreude.

Risikofreudige Anleger

Dass die Leute beim Bitcoin momentan durchaus risikofreudig sind, zeigen "Cryptocurrency"-Umfragen, die das Beratungsunternehmen Sentix seit September wöchentlich durchführt. Dabei wird nicht nur die aktuelle Stimmung rund um die bekannteste aller Internetwährungen erfasst, sondern auch der "strategische Bias", also das, was die Leute dem Bitcoin mittelfristig an Wert zuschreiben.

"Der Bias reflektiert die Weisheit der vielen", sagt Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Bauchweh bereitet ihm die zunehmende Diskrepanz zwischen den Stimmungswerten, die derzeit immer weiter ansteigen, und dem sinkenden Bias. "Die Emotionen überdecken hierbei das Wissen", resümiert Hübner. "Man könnte auch sagen: Gier frisst Hirn."

Gäbe es diese Konstellation im deutschen Aktienleitindex Dax, dann, so der Experte, hätte er schon längst zum Verkauf geraten. Er ist überzeugt davon, dass es sich bei der Bitcoin-Rallye mittlerweile um eine klassische Finanzblase handelt. "Die spekulative Anziehungskraft hinter Bitcoin kann zu erheblichen Marktverwerfungen führen", warnt er und ist damit einer von vielen.

Gefahr der Überhitzung

Von Nationalbanken – wie eben seitens der Österreichischen –, Banken und Ökonomen über Regulierer bis hin zu Politikern wird gefühlt stündlich und weltweit auf die Gefahr der Überhitzung hingewiesen. Auf der anderen Seite wird argumentiert, es sei schon seit Jahren immer wieder vor einem Crash gewarnt worden – der Rekordjagd des Bitcoin habe dies aber keinen Abbruch getan.

Auch Hübner glaubt, dass es mit den Preissteigerungen noch weitergehen könnte. "Blasen wachsen auch dann noch, wenn sie als solche bereits erkannt sind." Dies ändere aber nichts daran, "dass sie irgendwann platzen und es dann riesige Verluste gibt". Für Experte Goldberg bleibt am Ende das, was er lieber als "Reiz" denn als "Gier" bezeichnen würde. "Wenn man die Gier abschaffen will, müsste man eigentlich einen Teil des Gehirns rausschneiden." (APA, 3.1.2018)