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Man kann nicht sagen, dass das Interesse gering ist: Am Sonntag fand sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in der SPD-Zentrale zum Auftakt der Sondierungen ein.

Foto: Reuters/Hannibal Hanschke

Der Balkon ist tabu. Darin immerhin sind sich die Verhandler von CDU, CSU und SPD tatsächlich einig. Allzu schwierig ist das Anfang Jänner ja auch nicht. Wer, außer notorischen Rauchern, hat schon Lust, sich in der Kälte auf den Balkon zu stellen?

Und überhaupt: Der Balkon, genauer gesagt jener Vorbau der ehrwürdigen parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, steht für die gescheiterten Sondierungsgespräche direkt nach der Bundestagswahl am 24. September zwischen Union, Grünen und FDP. Man sah die Jamaika-Verhandler viel dort stehen, es erinnerte an den Buckingham Palace in London. Angela Merkel sehe aus wie Queen Mum, wurde gelästert. Raus kam am Ende bekanntlich nichts.

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Also kein Balkon, nicht mal parlamentarische Gesellschaft, mit dieser wird möglicherweise mieses Karma verbunden. Die Verhandler treffen sich diesmal einfach in ihren Parteizentralen, beim Auftakt am Sonntag waren die Sozialdemokraten Gastgeber.

Übermäßig dürfte das Personal dort wie auch in der CDU-Zentrale und der CSU-Vertretung in Berlin in den kommenden Tagen nicht beansprucht werden. Denn Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) planen Sondierungsgespräche im Eiltempo. Schon am Donnerstag dieser Woche sollen sie abgeschlossen sein.

Nicht übereinander reden

Und es gibt weitere neue Regeln: Man will miteinander sprechen, nicht übereinander. Erklärungen sollen gemeinsam abgegeben werden. Allen Beteiligten ist klar, was für sie auf dem Spiel steht. "Wir beginnen heute Gespräche von entscheidender Bedeutung", sagte Schulz vor Beginn des Treffens und machte deutlich, was ihm wichtig ist: "Wir ziehen keine roten Linien, aber wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschland umsetzen."

Merkel versuchte Zuversicht zu verbreiten und erklärte: "Ich gehe optimistisch in diese Gespräche, allerdings ist mit klar, dass in den nächsten Tagen ein Riesenstück Arbeit vor uns liegt." Seehofer betonte, "in bester Stimmung" zu sein, und mahnte schon mal die Einhaltung des Zeitplans ein: "Es wäre nicht gut, wenn wir länger brauchen."

Sollten sich die Verhandler bis Donnerstag einig werden, dann wird das Abschlusspapier ab Freitag den Parteigremien zur Beratung und Absegnung vorgelegt. Bei CDU und CSU ist das relativ einfach. Schulz jedoch braucht für die Aufnahme formaler Koalitionsverhandlungen das Ja eines SPD-Parteitages. Dieser findet am 21. Jänner in Bonn statt.

Abschluss bis Ende Februar

Ist die sozialdemokratische Basis für Gespräche über eine große Koalition, dann könnten diese im Anschluss stattfinden und bis Februar abgeschlossen sein. Danach folgen wieder Parteitage. Geht alles glatt, könnte Merkel vor Ostern zum vierten Mal im Deutschen Bundestag zur Bundeskanzlerin gewählt werden.

Doch so weit ist man noch lange nicht. Auch wenn alle Beteiligten nun ihre Bereitschaft zum Gelingen betonen – es liegen nach wie vor "dicke Bretter" auf dem Verhandlungstisch. Die SPD will Gutverdiener stärker belasten und eine Bürgerversicherung, die Union lehnt beides ab.

In der Asylpolitik bleibt die CSU dabei: Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige (vor allem Menschen aus Syrien) soll weiterhin ausgesetzt werden. Zudem fordert sie Altersfeststellungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, was der SPD missfällt. Demonstrativ hatte die CSU-Landesgruppe im Bundestag gerade bei ihrer Klausur im bayerischen Seeon den ungarischen Premier Viktor Orbán zu Gast. Der ist bekanntlich einer der schärfsten Kritiker Merkels.

Sollten die Sondierungen zur Vorbereitung einer neuerlichen großen Koalition nicht erfolgreich sein, dann dürfte es wohl zu Neuwahlen kommen. Aber ob die Spitzenkandidaten von CDU und SPD dann noch Angela Merkel beziehungsweise Martin Schulz heißen, steht in den Sternen. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.1.2018)