Innsbruck/Rostock – Die als Überlebenskünstler geltende mehrzellige Grünalge Klebsormidium ist von der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) zur Alge des Jahres 2018 gekürt worden. Sie kann zwischen Leblosigkeit und Wachstum hin- und herwechseln und schafft es dadurch Orte zu besiedeln, an denen meist keine andere Pflanze mehr wachsen kann.

Klebsormidium-Algen sind etwa zehnmal dünner als ein Haar und fallen nur gehäuft als grüner Flaum auf kargem Boden auf. Andreas Holzinger von der Universität Innsbruck und Ulf Karsten von der Universität Rostock erforschen die Fähigkeiten dieser Algen, die sie vor dem Austrocknen und vor gefährlichen UV-Strahlen schützen. Als Pionierin besiedelt die Alge offene, saure bis neutrale Erd-, Stein- und Sandoberflächen wie Dünen, erkaltete Lava oder Erdrutsche. Sie ist sowohl in heißen Trockenwüsten als auch in den Eiswüsten der Arktis zu Hause.

Pendler zwischen tot und lebendig

Wenn ihr das Wasser fehlt, kann die Klebsormidium-Alge mehrere Monate zwischen Leben und Tod verharren. In diesem Zustand zeigt sie keinerlei Lebensreaktionen mehr. Die Alge ist dann aber nicht tatsächlich tot, sondern kann innerhalb weniger Minuten wieder zum Leben erwachen, sobald die Umgebung feucht wird.

Doch das ist noch nicht alles: Wie die Forscher aus Innsbruck und Rostock herausfanden, synthetisiert die Alge zwei sogenannte mykosporin-ähnliche Aminosäuren (MAAs) als Sonnenschutz. Diese ringförmigen Moleküle im Zellinneren der Alge nehmen schädliche UV-Strahlung auf und geben diese Energie in Form von Wärme und Fluoreszenzleuchten wieder ab. So schützen sie das Erbgut in den Algenzellen.

Als schnell wachsender Boden-Besiedler ist Klebsormidium auch für die angewandte Forschung interessant. Die Alge lebt in Bodenkrusten, die als Haftgrund für Dünger wirken, sodass Moose, Farne und später auch Samenpflanzen an bisher unbewohnten Standorten siedeln können. Bodenkrusten werden daher heute bereits eingesetzt, um dem Voranschreiten der Wüste Einhalt zu gebieten, sie dienen auch australischen Rinderfarmern, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen und die Ansiedelung von Gräsern und anderen Pflanzen zu fördern. (APA, 9.1.2018)