Alle zwei Wochen beschreibt ab jetzt unsere Kolumnistin Doris Knecht, wie man fitter, stärker, geschmeidiger, fescher und vielleicht "ein wengerl weniger kaputtbar" wird – theoretisch und praktisch.

Foto: Irina Gavrich

Dann stehe ich vor der Tür zum Souterrain. Es ist Viertel nach acht in der Früh. Es regnet sanft in die sich nur allmählich auflösende Finsternis hinein. Ich bin müde; und wie immer, wenn ich vor dieser Tür stehe, schicke ich ein kleines Stoßgebet in den Himmel: dass die Tür verschlossen und mir die ganze Pein, die dahinter lauert, erspart bleibe, nur dieses eine Mal. Bitte. Und der Wunsch geht in Erfüllung, zum ersten Mal. Die Tür öffnet sich nicht. Keiner da. Keine Anstrengung jetzt, keine brennenden Muskeln, keine Transpiration: Der Workout, das hatte ich verschusselt, entfällt heute.

Torturen

Halleluja!! Obwohl; hmm. Jetzt, wo man schon mühsam aufgestanden und hergeradelt ist ... Man darf wieder gehen, ungequält, aber auch ohne die befriedigende Gewissheit, etwas für sich und seinen Körper getan zu haben, etwas, das einen gesünder, fitter, stärker macht, geschmeidiger, fescher und vielleicht ein wengerl weniger kaputtbar. Tja.

Denn irgendwann, nach Jahren und Qualen und fürchterlichsten Überwindungstorturen, hat sich etwas Überraschendes in diesen Körper eingeschlichen: die Lust, ihn zu bewegen. Ihn immer wieder ein bisschen anzustrengen, auszupowern, auszuprobieren, zu stärken. Und etwas gravierte sich ins Bewusstsein ein: wie zuverlässig es einem – manchmal schon während der Bewegung, fix aber danach – besser geht als vorher, auch psychisch. Man begriff auch irgendwann das Privileg, einen intakten Körper und die Freiheit zu haben, zu laufen, zu radeln, zu wandern, zu schwimmen, sich zu verbiegen, wo, wann und wie man will. Das ist speziell für Frauen nicht überall auf der Welt selbstverständlich. Es ist ein Glück.

WHO-Empfehlungen

Zusätzliches Glück entsprang einer meiner beiden Lieblingsstudien der letzten Jahre, die belegte, dass es der Gesundheit reicht, wenn man sich, wie auch die WHO empfiehlt, 150 Minuten pro Woche mit Anstrengung bewegt. Alles darunter, so ergaben Untersuchungen, ist zu wenig, alles darüber macht weder gesünder, noch verlängert es das Leben. Zudem darf man in diese 150 Minuten jedes aktive Radeln zur Arbeit einrechnen, jeden zügigen Fußmarsch, jeden Aufzug, auf den man verzichtet.

Von diesen 150 Minuten und den ihnen immanenten Überwindungstorturen handelt fortan diese Kolumne, die Sportfanatiker auf der Suche nach maximaler Superfitness belächeln werden. Hier herrscht das Good-enough-Prinzip: Fit genug ist gut genug. Man muss seine Bauchmuskeln nicht so aufdringlich im Sixpack vor sich hertragen, solange man weiß, dass man irgendwo da drunter welche hat. Dass man etwas für sich tut. Also, sobald diese Tür wieder aufgeht. (Doris Knecht, RONDO, 12.1.2018)