EU und Russland sind bis auf die Schweineknochen zerstritten.

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Die EU fordert vor der Welthandelsorganisation WTO 1,39 Milliarden Euro Kompensation wegen Russlands Verbots, Schweinefleisch aus Europa einzuführen. Die Strafe entspricht dem Schweinefleischexport der EU nach Russland aus dem Jahr 2013 und soll sich pro Jahr um 15 Prozent erhöhen, wenn Moskau nicht einlenkt.

Ursprünglich hatte die russische Landwirtschaftsaufsichtsbehörde Rosselchosnadsor das Importverbot im Januar 2014 verhängt, nachdem sowohl in Litauen als auch in Polen Fälle der afrikanischen Schweinepest auftauchten. Später wurde das Verbot in das allgemeine Lebensmittelembargo integriert, mit dem Moskau auf die westlichen Sanktionen reagierte.

Regelverstoß

Im August 2016 hatte ein Schiedsgericht der WTO die russischen Einfuhrbeschränkungen für Schweinefleisch als Verstoß gegen die WTO-Regeln qualifiziert und auch einen Einspruch Moskaus Anfang 2017 abgewiesen. Im Dezember erklärte daher das russische Landwirtschaftsministerium das Importverbot wegen der Schweinepest für aufgehoben. Trotzdem werde weiterhin kein Fleisch aus der EU importiert, da es auf der allgemeinen schwarzen Liste des Lebensmittelembargos stehe, teilte Ministeriumsvertreterin Julia Melano mit.

Die Schadenersatzklage der EU ist nun der nächste Schritt in dem Rechtsstreit. Klein beigeben will Moskau nicht: Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums Maxim Medwedkow nannte die Klage grundlos, da Russland die Anweisung des Schiedsgerichts befolgt habe. Russland werde daher das Schiedsgericht erneut anrufen. Russland erwarte "eine unvoreingenommene, transparente und auf den Regeln und der Praxis der WTO beruhende Entscheidung", betonte der Beamte.

WTO-Austritt angedroht

Im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, ist der Ton schärfer: Wladimir Dschabarow, Vizechef des Außenausschusses, nannte die Klage "Willkür" des Westens. Wenn die WTO dem stattgebe, dürfe Russland nicht bezahlen, forderte er. Die Situation mache zudem einen Austritt aus der WTO wieder aktuell, da die Organisation Russland nicht vor westlichen Sanktionen schütze, fügte er hinzu.

Ähnlich argumentiert der Vizechef des Wirtschaftsausschusses Sergej Kalaschnikow. Die Europäer hätten mit ihren Sanktionen als erste gegen WTO-Recht verstoßen, meinte er. "Sanktionen sind überhaupt nicht mit den WTO-Regeln vereinbar. Wird der Klage der EU stattgegeben, müssten wir wohl unsere Beteiligung an der Welthandelsorganisation einschränken und vielleicht ganz einstellen", drohte er.

Der aktuelle Schweinestreit ist in gewisser Hinsicht von der Sanktionsspirale losgelöst, da das Importverbot bereits vorher bestand. Womöglich sei bei dem Streit "gerade die Existenz des Verbots vor dem Sanktionskrieg hier ein Argument für seine Unrechtmäßigkeit", vermutet Sergej Utkin, Experte am staatlichen Institut für Weltwirtschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die Androhung des WTO-Austritts sieht er gelassen: "Das Parlament ist bei uns in erster Linie als Quelle scharfer Äußerungen gefordert, während die Entscheidungen in einem anderen Teil des Staatsapparats getroffen werden", sagte Utkin dem STANDARD. (André Ballin aus Moskau, 8.1.2018)