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Nordkoreas Delegation auf dem Weg zu den Gesprächen.

Foto: AP

Was vor einigen Wochen noch nahezu unmöglich schien, ging nun am Dienstag scheinbar reibungslos vonstatten: Nach einer kaum einstündigen Verhandlungsrunde am Morgen haben sich die beiden koreanischen Delegationen bereits auf die Teilnahme nordkoreanischer Athleten bei der Olympiade in Pyeongchang geeinigt. Am Nachmittag folgte dann der nächste Coup: Nordkorea eröffnet seine Militär-Hotline entlang der Grenze. Vor Mitternacht schließlich einigten sich beide Seiten auf militärische Verhandlungen sowie den Willen zu künftigen Austauschprojekten. Bahnt sich gar ein Wendepunkt der innerkoreanischen Beziehungen an?

Wer den koreanischen Delegationen beim gemeinsamen Handschlag vor Reportern in der symbolträchtigen demilitarisierten Zone zusah, bekam zunächst einen solchen Eindruck vermittelt. Nordkoreas Delegationsleiter Ri Son-gwon, der eigentlich als hartgesottener Militär gilt, erschien in Anzug mit Krawatte und breitem Lächeln im Gesicht. "Das koreanische Volk hat sich ein Geschenk fürs neue Jahr verdient", eröffnete Ri die Verhandlungsgespräche.

Südkoreas Minister für eine Wiedervereinigung, Cho Myoung-gyon (links) und sein Gegenüber aus Nordkorea, Ri Son-gwon, der Chef des Komitees für die friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes. Die beiden Diplomaten verständigten sich auf eine Olympiateilnahme Nordkoreas.
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Vollkommen unerwartet schlug er vor, die kompletten Gespräche transparent und in aller Öffentlichkeit abzuhalten, was jedoch von den Südkoreanern abgelehnt wurde. Die Botschaft war klar: Nordkorea will öffentlichkeitswirksam punkten, sich als staatsmännisch und verantwortungsvoll präsentieren. Die lokale Presse zeigte sich ob der nordkoreanischen Charmeoffensive überaus erstaunt: Solch gute Stimmung habe man auch bei vergangenen Verhandlungen nur selten erlebt.

Nordkoreas Eiskunstlauf

Gegen neun Uhr Ortszeit hielten die Delegationen schließlich ihre Resultate in einer gemeinsamen Stellungnahme fest: Nordkorea wird für die Olympiade mehrere Delegationen schicken, die neben den Athleten – qualifiziert hat sich ein Eiskunstlaufpaar – auch Parteikader, Journalisten und eine Taekwondo-Gruppe umfasst. Südkorea erklärte sich zudem bereit, während des Sportereignisses die strikten bilateralen Sanktionen zu lockern. Unter den jetzigen Bestimmungen sind beispielsweise Verbindungen der nordkoreanischen Fluglinie Air Koryo illegal, ebenso stehen viele von Kim Jong-uns potenziell nominierten Delegationsmitgliedern auf der schwarzen Liste.

Vor allem aber haben sich beide Seiten zu weiteren Verhandlungen über militärische Entspannung und zivilen Austausch entschieden. Der Süden wird versuchen, weitere Treffen der vom Koreakrieg getrennten Familien zu organisieren. Auch dies scheint nach Jahren wieder in greifbare Nähe gerückt. Die gemeinsame Stellungnahme der zwei Koreas war nicht zuletzt auch ein Fingerzeig in Richtung US-Präsident Trump, den Konflikt in die eigene Hand nehmen zu wollen.

Dieser wird es sich dennoch nicht nehmen lassen, die innerkoreanische Annäherung für sich zu reklamieren: Ohne den Druck aus Washington, so seine Argumentation, hätte man Diktator Kim Jong-un keinesfalls aus der Reserve locken können. Tatsächlich mag Kim den Eindruck erwecken, unter Zugzwang zu stehen und aufgrund der rigiden Sanktionen endlich wieder diplomatischen Boden gutzumachen.

Der progressive Flügel unter den Nordkorea-Experten hingegen wird die jüngsten Entwicklungen gegenteilig interpretieren: Erst ein politisches Zugeständnis an Nordkorea, nämlich die Verschiebung der Militärübungen von Seoul und Washington, habe zu Pjöngjangs Rückkehr an den Verhandlungstisch geführt.

In Südkorea ließen die jüngsten Entwicklungen die meisten Leute allerdings gleichgültig: Laut Angaben der Internetfirma Naver, dem größten Suchanbieter des Landes, haben sich die Südkoreaner online vor allem über den neuesten K-Pop-Tratsch und das eisige Wetter informiert. Die innerkoreanischen Gespräche rangierten nicht mal unter den häufigsten zehn Suchergebnissen am Dienstag.

Keine Illusionen

"Ob Nordkorea an den Olympischen Spielen teilnimmt, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Sollen sie doch machen", sagt die Studentin Kim Se-young. Die 27-jährige ist an diesem sibirisch kalten Nachmittag mit ihrem Freund zur Eislaufbahn auf dem Seouler Rathausplatz gekommen. In der Wartehalle wärmt sich der Rentner Kim Yeong-ju auf. Große Illusionen mache auch er sich nicht über die jüngste Annäherung der zwei Koreas: "Viel erwarte ich mir nicht, weil die Nordkoreaner jetzt eine Delegation zu uns schicken. Erst mal müssen sie noch beweisen, dass sie es überhaupt aufrichtig meinen." In seinem Leben habe er bereits unzählige Annäherungen und Krisen erlebt, doch letztendlich sei er vom Regime in Pjöngjang immer enttäuscht worden. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 9.1.2018)