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Marine Le Pen will ihren Front National mit einem Namenswechsel neu aufstellen – doch mehr als ein halbes Jahr nach der Präsidentenwahl bleibt sie im Tief.

Foto: Vit Simanek/CTK via AP

Energisch und frohgemut kündigte Marine Le Pen am Montagabend an, dass der Front National im März auf einem Kongress einen neuen Namen erhalten soll. Darauf laufe die derzeitige Befragung der 50.000 Parteimitglieder hinaus; eine Kommunikationsagentur solle deshalb eine neue Bezeichnung suchen.

Der Elan wirkt reichlich aufgesetzt. Nahestehende berichten, die 49-jährige Ultranationalistin sei trotz ihres starren Lächelns "einsam und deprimiert". Le Pen bleibt mehr als ein halbes Jahr nach der Präsidentenwahl im Tief. Ganz Europa hatte vor ihrem Sieg gezittert; doch in ihrem letzten TV-Duell mit Emmanuel Macron verpatzte sie alles. Mit elf Millionen Stimmen erhielt sie zwar doppelt so viele, wie ihr Vater Jean-Marie jemals errungen hatte; gemessen an den hohen Erwartungen der Brexit- und Trump-Welle war das Resultat von 36,1 Prozent aber schon fast ein Fiasko.

Streitpunkt "Frexit"

Aggressiv, übernächtigt und desinformiert machte Le Pen ein Augenleiden für den blamablen Fernsehauftritt verantwortlich. Selbst ihre Wähler wissen aber, dass das nur eine Ausrede ist: In Wirklichkeit verhedderte sich "Marine", wie sie von ihren Fans genannt wird, mit ihrem wichtigsten Wahlkampfthema, Frankreichs EU-Austritt. Weder für den "Frexit" noch klar dagegen, blieb Le Pen die wichtigste Antwort im Wahlkampf schuldig. In der Person ihres Parteivizes Florian Philippot (36) fand sie daraufhin einen idealen Sündenbock: Er ist für den "Frexit", den laut Umfragen 70 Prozent der Franzosen ablehnen. Dieses Eurodilemma haben die Frontisten bis heute nicht aufgelöst.

Nur Philippot wurde im Herbst als Vertreter des linken Flügels aus der Partei geekelt. Er gründete flugs eine neue Partei namens Les Patriotes. Mehrere nationale und europäische Abgeordnete des Front National sind bereits übergelaufen.

Nachfolgerin bringt sich in Stellung

Aber auch auf der Rechten wenden sich die Anhänger von Le Pen ab: Ihre katholisch-konservative Nichte Marion Maréchal (28) legte ihre Parteiämter nieder und wartet im Hintergrund auf ihre Stunde, während sie diskret am Sessel ihrer Tante sägt.

Diese plant nun mit dem Namenswechsel einen riskanten Befreiungsschlag. Er soll die Partei vom üblen Leumund ihres rechtsextremen Vaters lösen, der den Front National 1972 gegründet und fest in der französischen Politik verankert hatte. Ein neuer Name, so die Überlegung Marine Le Pens, soll die Formation aus dem rechten Schmuddeleck führen und regierungsfähige Wahlbündnisse ermöglichen. "Wenn ein Name zu große Befürchtungen weckt oder ein zu starkes emotionales Gewicht hat – und das scheint beim Front National der Fall zu sein –, dürfen wir nicht zögern, die Handhabe zum Sieg zu schaffen", begründete sie den Namenswechsel.

Kein republikanisches Bündnis mit Le Pen

Parteiveteranen laufen dagegen allerdings Sturm. Marine verschleudere das Erbe ihre Vaters, schimpfen sie. Gravierender für die angeschlagene Parteichefin: Die allgemeine Zurückweisung quer durch alle Parteien gilt nicht nur dem Front National, sondern ebenso sehr dem Namen Le Pen. Mit ihm könnten sich republikanische Formationen, selbst wenn sie wollten, kein Bündnis leisten. Auch der neue, rechtslastige Chef der Konservativen, Laurent Wauquiez, der mit Le Pen die Euroskepsis und die Migrationskritik weitgehend teilt, schließt jede Absprache mit den Lepenisten kategorisch aus. Der Rechtsgaullist Nicolas Dupont-Aignan ("Debout la France") will mit ihnen ebenfalls nicht mehr ins Boot steigen. Und solange Le Pen die Geschicke einer neu gegründeten Partei bestimmt, dürfte sich daran nichts ändern.

Sogar Parteidissident Philippot hält seine Patriotes auf Distanz zu Le Pen, die ihm heute spinnefeind ist. Nicht zuletzt, weil er jenen Parteinamen mitnahm, den Marine Le Pen eigentlich für den Front National vorgesehen hatte. (Stefan Brändle aus Paris, 9.1.2017)