Die etwa 450 Jahre alte Mumie eines zweijährigen Kindes wurde in den 1980er-Jahren in Neapel gefunden.

Foto: Gino Fornaciari/University of Pisa

Läsionen im Gesicht und am Körper des einbalsamierten Kindes ließen Forscher zunächst an Pocken denken.

Foto: Gino Fornaciari/University of Pisa

Neapel/Hamilton– In den 1980er-Jahren stießen Archäologen in der Basilica di San Domenico Maggiore in Neapel auf die mumifizierten Überreste eines Kleinkindes aus dem 16. Jahrhundert. Untersuchungen legten nahe, dass das etwa zweijährige Kind ein frühes Opfer der Pocken gewesen sein dürfte, mehr noch: Forscher identifizierten es als ältesten Pockennachweis der italienischen Renaissance.

Dafür sprachen zum einen die auffälligen Läsionen im Gesicht und auf den Armen des einbalsamierten Leichnams. Untersuchungen mittels Elektronenmikroskopie lieferten zudem ebenfalls Hinweise auf Variolaviren – die Erreger der Pocken. Das weckte nun das Interesse eines internationalen Forscherteams um Hendrik Poinar von der McMaster University in Hamilton. Um mehr über den zeitlichen Verlauf der Ausbreitung und über die Diversität der Pockenviren im späten Mittelalter herauszufinden, untersuchten sie die Mumie erneut.

DNA-Proben

Diesmal kamen freilich andere Methoden zum Einsatz als in den 1980ern: Die Forscher extrahierten DNA aus Knochen, Haut und Muskeln des Leichnams und rekonstruierten aus den Proben das Erbgut des Kindes. Zu ihrer Überraschung stießen sie darin allerdings nicht auf Spuren von Pockenviren, sondern auf einen ganz anderen Erreger: das Hepatitis-B-Virus (HBV).

Das nun im Fachblatt "Plos Pathogens" veröffentlichte Ergebnis sei ein wertvoller Nachweis dafür, dass das Hepatitis-B-Virus Menschen schon seit Jahrhunderten befällt, so die Autoren. Besonders spannend: Während sich manche Viren rasant weiterentwickeln, sei der Genotyp des nun gefundenen Virus noch immer mit heute im Mittelmeerraum verbreiteten Stämmen vergleichbar. Mit anderen Worten: Das Erbgut des Erregers hat sich in den vergangenen 450 Jahren kaum verändert und liefert so Einblicke in die komplexe Evolution dieses Erregers, so die Forscher.

Tödlicher Erreger

Und die vermeintlichen Pockennarben auf der Haut des Kindes? Bei den Läsionen könnte es sich um eine Form der heute als Gianotti-Crosti-Syndrom bekannten Erkrankung handeln, die mutmaßlich als Folge einer Hepatitis B-Erstinfektion bei Kindern auftritt. Hauptsymptom ist die schubweise Bildung von Papeln auf der Haut.

Heute sind weltweit mehr als 300 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben 2015 fast 900.000 Menschen an den Folgen, vor allem an Lebererkrankungen. "Je mehr wir über die Vergangenheit eines Virus wissen, desto besser verstehen wir auch die Funktionsweise und Ausbreitungsmuster moderner Krankheitserreger", sagte Poinar. "Diese Informationen können letztendlich zu ihrer Kontrolle beitragen." (dare, 13.1.2018)