Mutter zu werden ist eine der signifikantesten Erfahrungen in Leben einer Frau, die das Leben nachhaltig und dauerhaft verändert. Wie sich Mutterschaft auf die soziale Stellung von Frauen in der Urgeschichte ausgewirkt hat, wird derzeit an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien untersucht.

Die Beziehung zwischen Sex, Schwangerschaft und Geburt ist für die meisten von uns heute so selbstverständlich, dass wir vergessen, dass dieses Wissen nicht universell ist. Neun Monate sind eine lange Zeit zwischen Ursache und Wirkung, und besonders in den ersten Monaten ist eine Schwangerschaft für Außenstehende – wenn nicht für die Mutter selbst – nicht erkennbar. Manche traditionelle Gesellschaften, insbesondere Jäger und Sammler, die keine Tiere züchten, stellen keinen Zusammenhang zwischen Sexualität und Schwangerschaft her. Es handelt sich um Wissen, das erlernt werden muss und auf bestimmte Altersgruppen und Geschlechtergruppen beschränkt sein kann. Interessanterweise werden junge Mädchen, die dieses Wissen direkt betrifft, am häufigsten im Dunkeln gelassen. Bis vor kurzem wussten auch in der westlichen Welt wenige junge Frauen Genaueres darüber, was in der Hochzeitsnacht geschehen würde und woher die Babys kamen.

Schwangerschaft in prähistorischen Gesellschaften

Die Entstehung neuen Lebens erscheint bis heute wundersam, trotz oder gerade wegen der mittlerweile detaillierten wissenschaftlichen Einsichten über Empfängnis, Embryonalentwicklung und Heranwachsen des Fötus. In prähistorischen Gesellschaften Mutter zu werden muss merkwürdig und beängstigend gewesen sein, auch wenn man mit etwas Glück bei anderen Frauen beobachten konnte, wie Schwangerschaft und Geburt verliefen.

Die Künstlerin Anna Artaker, ebenfalls Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wurde von der Venus von Willendorf zu ihrem Kunstwerk "Conceptus" inspiriert. Sie stellt direkt am Fundort die etwa 29.500 Jahre alte Steinfigur einer Wachsfigur eines vier Monate alten Fötus gegenüber. Beide Figuren sind etwa gleich groß und weisen auch andere Ähnlichkeiten auf, etwa die Armhaltung. Die Objekte selbst bleiben verborgen – nur ihre Schatten liegen nebeneinander.

Anna Artakers Kunstwerk "Conceptus" am Fundort der Venus von Willendorf, 2014.
Foto: Ulrich Dertschei

In seiner lateinischen Form bezieht sich das Wort sowohl auf den Akt der Empfängnis als auch auf dessen Folgen, den Embryo/Fötus. Es umfasst ferner die Bedeutung von Gedanke und Idee, wovon der Begriff Konzept abgeleitet ist. Für Artaker zeigt "Conceptus" das Wunder des Lebens – einmal in Form eines oft als Fruchtbarkeitsgöttin gedeuteten Objekts, einmal in Form eines modernen medizinischen Verständnisses davon, wie sich das Leben im Uterus entwickelt.

Das Innenleben des Kunstwerks: Anna Artaker, "Conceptus", 2014.
Foto: Ulrich Dertschei

Nur wenige Darstellungen von Geburten

Es gibt kaum Informationen darüber, wie Frauen in der Urgeschichte Kinder auf die Welt brachten. Erst ab der frühen Eisenzeit gibt es einige wenige Darstellungen von Geburten. Eindrücklich ist jene auf einer bronzenen Situla des sechsten Jahrhunderts vor Christus, die erst kürzlich im italienischen Pieve d'Alpago gefunden wurde. Sie ist von rechts nach links zu lesen und zeigt ein Paar bei Werbung und darauffolgendem Geschlechtsverkehr. Anschließend ist die Geburt des daraus entstandenen Kindes abgebildet.

Ganz wesentlich ist festzuhalten, dass Sexualität der früheisenzeitlichen Elite keine Privatsache ist. Der Vollzug findet unter Beobachtung statt – vermutlich, um die Vaterschaft durch Zeugen beweisen zu können. In der Geburtsszene wird die Gebärende von zwei Frauen unterstützt und nimmt eine physiologisch günstige Geburtshaltung im Stehen ein, wobei sie sich an einem Balken festhält.

Geburtsszene auf dem untersten Fries der Situla von Pieve d'Alpago (Rebay-Salisbury 2016, 172).

Nicht ohne Komplikationen

Geburten verliefen allerdings nicht immer so komplikationslos wie auf der Situla abgebildet. Jedem, der von den Vorzügen "natürlicher" Geburten schwärmt und den Nutzen moderner medizinischer Begleitung infrage stellt, erzähle ich gerne von den zahlreichen Frauen, die während der Geburt oder im Kindbett verstarben. Ohne medizinische Intervention verlaufen etwa 1,5 Prozent aller Geburten tödlich für die Mütter – wobei hier die Folgen schwieriger Geburten für die Neugeborenen noch unerwähnt bleiben.

Archäologisch sind Frauen, die mit ihrem ungeborenen Kind im Beckenbereich gefunden werden, eine wichtige Quelle. Wie sie bestattet wurden, sagt einiges über die gesellschaftliche Anerkennung von Mutterschaft aus, aber auch darüber, wie prähistorische Menschen über Reproduktion und ihre Gefahren dachten. Zudem lassen sich mitunter medizinische Interventionen nachvollziehen sowie das Alter eingrenzen, in dem Frauen Mutterschaft (erstmals) erlebten.

Körperliche Belastungen durch Schwangerschaften und Geburten sind zum Teil auch nach Jahrtausenden im Zahn- und Skelettmaterial fassbar. Durch eine Gegenüberstellung der Belastungsmerkmale, die durch eine detaillierte anthropologische Untersuchung weiblicher Skelette erfasst werden, mit dem Aufwand, der für die Bestattung- und Grabbeigaben getrieben wurde, versuchen mein Team und ich, den sozialen Wert von Mutterschaft in prähistorischen Gesellschaften der letzten drei Jahrtausende vor Christus zu erfassen.

Natur und Kultur – damals und heute

Auch wenn Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung oft als natürlicher und unvermeidlicher Teil des weiblichen Lebenswegs wahrgenommen werden, umfassen sie nicht nur biologische Prozesse, sondern auch kulturelle Praktiken. Im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur besteht eine beträchtliche Variabilität. Die soziale Stellung der Frau kann, muss aber nicht mit ihrem Reproduktionserfolg zusammenhängen – das Überleben einer Gesellschaft hängt aber wesentlich von erfolgreichen Fortpflanzungsstrategien ab. Nicht umsonst wird auch heute noch auf politischer und religiöser Ebene versucht, dies maßgeblich zu beeinflussen.

Da die europäische Urgeschichte neben der griechisch-römischen und biblischen Tradition einer der Grundpfeiler unserer heutigen Gesellschaft ist, wirkt sie bis heute nach. Urgeschichte erforschen heißt, langfristigen historischen Entwicklungen auf den Grund zu gehen – etwa der Rollenverteilung der Geschlechter, der Entwicklung von Heirats- und Residenzmustern oder eben der kulturellen Einbettung von Mutterschaft. Über die Erforschung von Vergangenheit können aktuelle gesellschaftliche Themen reflektiert werden, wobei zumindest theoretisch aus der Geschichte auch gelernt werden könnte.

Interdisziplinäre Forschung

Da Urgeschichtsforschung ja per definitionem nicht auf Schriftquellen zurückgreifen kann, erfordert sie ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit. Meine Rolle als Archäologin ist dabei, ein Basiswissen verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen – von Anatomie, Biochemie, Demografie, Genetik, Geologie, Histologie, Medizin, Statistik und vielen anderen – zu erwerben, um ihr Potenzial zu erkennen, Antworten auf meine Fragen an die Vergangenheit zu finden. Dann gilt es, einen Weg zu finden, die Ideen auch umzusetzen. So bleibt prähistorische Archäologie spannend! (Katharina Rebay-Salisbury, 10.1.2018)