Der CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, wird vorgeworfen, ihre jeweiligen Koalitionspartner mit viel Steuergeld einzukaufen.

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Berlin – Unter großem Zeitdruck nehmen die deutschen Christdemokraten und die Sozialdemokraten am Mittwoch Anlauf für den Abschluss ihrer Koalitionssondierungen am Donnerstag. "Wir wissen auch, dass das Zeitbudget, das wir uns selber gesetzt haben, begrenzt ist. Deshalb wird in den Arbeitsgruppen sehr, sehr intensiv verhandelt", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Dienstagabend in Berlin.

In seiner von den drei Parteien CDU, CSU und SPD vereinbarten Erklärung zum dritten Sondierungstag appellierte Scheuer an Bürger und Journalisten, "eine gewisse Geduld" aufzubringen.

Die Unterhändler hätten mit dem Ausloten finanzieller Spielräume begonnen. "Wir wollen unser Land kräftig weiterentwickeln, auch investieren in viele große neue Herausforderungen", sagte Scheuer. Im Gespräch war ein Finanzrahmen von bis zu 45 Milliarden Euro.

Streitthema Familiennachzug

Beim Streitthema Familiennachzug von Flüchtlingen schlug der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka als Kompromiss eine Größenordnung von 40.000 Nachziehenden vor. Das entspreche der Zahl der Visa für Angehörige syrischer Flüchtlinge aus den vergangenen Jahren.

Für "deutlich" mehr Anträge fehle schlicht Platz und Personal in den Visaabteilungen der deutschen Botschaften in den Nachbarländern, sagte Lischka. Der Familiennachzug ist für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus – wie die meisten Syrer – bis Mitte März ausgesetzt. CDU/CSU wollen ihn ausgesetzt lassen, die SPD nicht.

Ergebnis spätestens am Freitag

Die Parteispitzen hatten sich zum Ziel gesetzt, spätestens am Freitag ein Ergebnis vorzulegen. Die Beratungen könnten sich aber bis in die Nacht auf Freitag hinziehen. Mit Spannung wurde erwartet, ob der Termin gehalten werden kann oder die Gespräche doch noch in eine Verlängerung gehen. Die Unterhändler hätten inzwischen "eine gute Grundlage des Vertrauens und der Kollegialität" geschaffen, sagte Scheuer. "An dem soll es nicht scheitern."

FDP-Chef Christian Lindner warf der CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, vor, ihre jeweiligen Koalitionspartner mit viel Steuergeld einzukaufen. "Das ist die Methode Merkel", sagte er. "Bei den Sondierungen sollen alle Probleme und alle Widersprüche mit Steuergeld zugeschüttet werden. Das ging mir schon bei den Jamaika-Verhandlungen (zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP) auf die Nerven."

Bei Klimapolitik einig

Den Verzicht von CDU/CSU und SPD auf die ohnehin kaum noch erreichbaren deutschen Klimaziele für 2020 begrüßte Lindner mit Einschränkungen: "Die Wende der Union ist in der Sache richtig, entlarvt aber die inzwischen völlige Beliebigkeit der Positionen der Merkel-CDU."

Dagegen sieht die Klima- und Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, schwerwiegende Nachteile für die Industrie. "Klimaschutz hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu Innovationen geführt, und deutsche Unternehmen sind in bestimmten Bereichen Weltmarktführer", sagte Kemfert. "Diese positive Entwicklung ist nun gefährdet."

SPD-Jugendorganisation bleibt skeptisch

Unter anderem wegen der Klimapolitik äußerte sich auch Juso-Chef Kevin Kühnert skeptisch zur Aussicht auf eine Neuauflage der Großen Koalition. Dass die Sondierer gleich am Anfang das Klimaziel 2020 aufgegeben hätten, "ist erst einmal kein guter Auftakt gewesen für diese Gespräche", sagte Kühnert dem ARD-Morgenmagazin am Mittwoch. Insgesamt blieben die Jusos auf Ablehnungskurs. Er habe "wenig Phantasie", sich eine Zustimmung der Jusos dazu vorstellen zu können. Die Argumente der SPD-Jugendorganisation dagegen hätten weiter Bestand und würden von großen Teilen der Basis geteilt.

Bei den Sondierungen sollen am Mittwochvormittag in der CDU-Zentrale in Berlin zunächst jene Arbeitsgruppen zusammenkommen, die ihre Arbeit noch nicht oder nicht zufriedenstellend abgeschlossen haben. Vorgabe der Sechser-Runde der Partei- und Fraktionschefs ist es, dass jede Sondierungsgruppe ein bis zu zweiseitiges Ergebnispapier zu bestimmten Unterpunkten vorlegt.

Treffen in kleiner Runde

Ebenfalls im Laufe des Vormittags will sich die kleine Steuerungsrunde um Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel, den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer treffen und die Bewertung der Papiere mit den Zwischenergebnissen fortsetzen. Zu den Themen, die erst am Donnerstag endgültig abgeschlossen werden dürften, gehören neben der Finanz- und Steuerpolitik auch die Bereiche Migration, Europa, Soziales, Gesundheit, Arbeitsmarkt sowie Inneres und Recht. (APA, 10.1.2018)