Wien – "Tobi tötet für einen guten Zweck. Er will seinen Traum verwirklichen", erzählt Fabian N. dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Beate Matschnig, warum er sich mit Tobi, einer japanische Anime-Zeichentrickfigur, identifizieren kann. Und warum er sich als Tobi verkleidete, nachdem er am Abend des 21. März in Wien-Penzing seine Mutter mit 21 Messerstichen getötet hatte.

Der 17-Jährige ist allerdings nicht wegen Mordes angeklagt, in seinem Prozess geht es um die Einweisung in eine Anstalt für gefährliche und geistig abnorme Rechtsbrecher. N. leidet an Schizophrenie, scheint aber derzeit keine Krankheitseinsicht zu haben. "Sie sind nicht gesund. Sie müssen sich damit auseinandersetzen. Ich weiß, dass Sie das nicht wollen", erklärt die Vorsitzende ihm am Ende.

Zu Beginn lässt Matschnig den offensichtlich sedierten Teenager über das Verhältnis zu seinen geschiedenen Eltern, die eine On-off-Beziehung führten, erzählen. "Es war schon immer sehr schön, wenn ich bei Vater war", schildert er beispielsweise. Aber auch, dass er bei der Mutter "daheim" gewesen sei.

Zwiegespaltenes Verhältnis zur Mutter

"Wie war das Verhältnis zu Ihrer Mutter?", will die Vorsitzende wissen. "Zwiegespalten. Manchmal hatte mich meine Mutter ganz lieb, manchmal war sie böse. Wenn ich nicht trainieren war, zum Beispiel." – "Wie hat sich das ausgewirkt?" – "Sie hat mir das Internet weggenommen. Ich mochte das gar nicht." – "Warum?" – "Ich wollte mit Freunden spielen oder Anime anschauen."

Tatsächlich wurde er nach der vierten Klasse wegen zu vieler Fehlstunden aus der Neuen Mittelschule geworfen, Energie, sich eine Arbeit zu suchen, hatte er offenbar auch nicht wirklich. IT-Techniker oder Soldat waren seine Berufswünsche. So verbrachte er den Tag primär vor dem Computer. "Wie viele Stunden?", fragt Matschnig. "Na ja, wenn ich so um zwölf aufgestanden bin, habe ich bis Mitternacht gespielt."

Wie des Öfteren kam es an jenem Nachmittag im März wieder zu einem verbalen Streit, die Mutter forderte ihn auf, seine Sachen zu packen und zum Vater zu fahren. Sie versteckte den WLAN-Router und verließ die Wohnung. N. fand das Gerät und sah sich wieder Animes an.

Schon länger Mordfantasien

Vor Gericht sagt der Betroffene zunächst, in dieser Stunde sei der Gedanke gereift, die Mutter zu töten, später gibt er aber zu, schon länger daran gedacht zu haben, sie oder andere Menschen umzubringen. "Ich konnte meine Wut nicht wirklich beherrschen", gibt er zu.

Der Bursch nahm sich ein Messer und wartete auf die Rückkehr der Mutter. Die wollte ihn nach unten begleiten, im Vorraum stach er ihr zunächst zweimal in den Rücken, weitere 19 Stiche folgten, die 42-Jährige verblutete innerlich. Ihre letzten Worte? "Sie hat gesagt, dass ich hierbleiben kann", erzählt der Betroffene emotionslos. Nach der Tat chattete N. noch mit einem Freund und rief schließlich die Polizei.

Dann zog er Umhang und Maske an, um sich als Tobi zu verkleiden, und setzte sich auf sein Bett. "Ich wollte eigentlich Selbstmord begehen." – "Warum haben Sie das nicht gemacht?" – "Weil es nicht nach meinen Vorstellungen gegangen ist." Zunächst kamen nämlich Sanitäter, die die Tür ins Schloss fallen ließen. Daher musste N. wieder öffnen, als die Polizei klopfte.

Beim Vortrag des psychiatrischen Gutachtens wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, danach brauchen die Geschworenen nicht lange, um zu einer einstimmigen und rechtskräftigen Entscheidung zu kommen: N. ist krank und muss in einer Anstalt behandelt werden. (Michael Möseneder, 10.1.2017)