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Majestätisch thront die einstige Malteserorden-Festung Valletta an zentralen Seerouten im Mittelmeer. Der Inselstaat Malta ist kleiner als Wien und hat 430.000 Einwohner.

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Valletta/Wien – "Wir haben mit Kohle und Stahl begonnen. Müsste ich Europa noch einmal einigen, würde ich bei der Kultur beginnen." Der Satz wurde zwar fälschlich dem EU-Vordenker Jean Monnet in den Mund gelegt, zur Legitimierung europäischer Kulturpolitik wird er dennoch immer wieder gern hervorgeholt.

Die Initiative der Europäischen Kulturhauptstadt, 1985 mit Athen gestartet, soll kontinentale Vielfalt sichtbar machen, die gemeinsame Identität stärken und dabei infrastrukturelle Impulse setzen. Sie ist vielleicht der einzige kulturpolitische EU-Vorstoß, der heute breite Akzeptanz gefunden hat.

Vom Abfeiern nationaler Hauptstädte rückte die EU seit den 2000er-Jahren bewusst ab, kleinere Städte, die sich vermehrt im Verbund als Region bewerben, sollten im wahrsten Sinn entdeckt werden. Das birgt Überraschungen, selbst für Kenner des Kontinents. Kritiker sehen in der Tendenz zum Kleinklein auch teuer verkaufte Provinzialität, bei der nach Ablauf des Hauptstadtjahres mehr Schulden als Impulse übrigbleiben. Licht und Schatten, wie bei jedem Großereignis.

2018 geht die Reise jedenfalls in das friesische Leeuwarden (siehe unten) und nach Valletta. Die Hauptstadt des südlichen Inselstaats Malta ist mit knapp 6000 Einwohnern die kleinste der EU. Zu erzählen hat Valletta dennoch genug. Die zentrale Lage an wichtigen Seerouten brachte zahlreiche Brüche in der Geschichte.

Promo-Video zu Valletta als Kulturhauptstadt 2018
Valletta2018

Caravaggios Exil

Über Jahrtausende war Malta zwischen den rivalisierenden Mächten am Mittelmeer umkämpft. Phönizier, Römer, Araber, Goten und Normannen hinterließen ihre Spuren. Als Teil der spanischen Besitzungen gehörte die Insel im 16. Jahrhundert auch zum Haus Habsburg. Kaiser Karl V. übertrug sie als Lehen dem Kreuzritterorden der Johanniter, heute bekannter als Malteserorden.

Nach einer nur knapp überstandenen Belagerung durch die Osmanen im Jahr 1565 finanzierte der Habsburger den christlichen Rittern den Bau einer unüberwindbaren Festung. Den Grundstein für die neue Stadt legte der Großmeister Jean de la Valette. Nach ihm wurde Valletta benannt.

Die Ordensbrüder festigten ihre Trutzburg gegen Angreifer, bauten dicke Wallanlagen und hunderte Kirchen. Erst Napoleon ergab man sich kampflos. Nach dessen Untergang wurde Malta 1814 britische Kolonie und 1964 unabhängig. Linksverkehr und Englisch haben sich bis heute gehalten. Volkssprache ist aber Malti, eine Mischung aus Arabisch, Italienisch und Englisch. Die vorhandene Multikulturalität nutzen viele Einheimische, um Gastschüler aus aller Welt aufzunehmen.

Offen zeigte man sich schon 1607, als man dem Maler Caravaggio Asyl gewährte. Als verurteilter Mörder aus Rom verbannt, lebte er ein Jahr in Valletta, wurde Mitglied des Malteserordens, bis ihn ein handfester Streit auch dort ins Gefängnis brachte. Von Malta gelang ihm zwar die Flucht nach Sizilien, eines seiner wichtigsten Werke, Die Enthauptung Johannes des Täufers, blieb aber zurück. Es hängt noch heute in der zentralen Kathedrale St. John's.

Altes reaktivieren

Baulich gibt es in der Stadt auch neuere Akzente: Der italienische Architekt Renzo Piano hat sich 2014 den immer wieder umgestalteten Stadteingang ("City Gate") vorgenommen, Parlament und Freilichttheater wurden ebenfalls nach seinen Plänen gebaut. Mitte 2018 wird ein neues Kunstmuseum ("Muza") eröffnet, einstmals vielbelebte Stadtteile wie die Strait Street oder der aufgelassene Indoormarkt Is-Suq tal-Belt sollen reaktiviert werden.

Neben den Großprojekten sind im Laufe des Jahres hunderte Kulturveranstaltungen in ganz Malta geplant. Offizielle Eröffnung ist am 20. Jänner. Es gibt Festivals für Musik, Literatur und Film, Oper, Theater, Tanz, Kunst, Design- und Modewochen. Und ja, auch die weniger schönen Dinge könnten sich Besucher bei dieser Gelegenheit vor Augen halten: Malta als EU-Steuerparadies etwa, als Jagdgebiet für Zugvögel oder als Land mit striktem Verbot von Schwangerschaftsabbruch – die katholische Kirche ist hier noch wirkmächtig.

Österreich stellt übrigens im Jahr 2024 wieder eine europäische Kulturhauptstadt. Bis Ende 2018 können sich Städte und Regionen bewerben. Salzburg, Bad Ischl oder Dornbirn mit dem Rheinland überlegen. So richtig entschlossen zeigten sich bislang nur Baden bei Wien und St. Pölten. Sanktus und Geld der Niederösterreichischen Landesregierung erhielt Letztere. Nicht wenige sehen darin zwar schon eine Vorentscheidung, das letzte Wort hat aber Ende 2019 eine EU-Jury. (Stefan Weiss, 13.1.2018)