"Höchst zufrieden" ist CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Ergebnis der Sondierungsverhandlungen. Auch Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) zeigen sich froh.

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Es war eine lange Nacht, eine sehr lange. 24 Stunden saßen die Sondierer in der SPD-Zentrale in Berlin zusammen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist solche Marathonrunden ja aus Brüsseler Nächten gewohnt. Aber SPD-Chef Martin Schulz entfielen am Freitagvormittag echte Grundlagen. "Wie heißt eure Parteizentrale?", wollte er von CSU-Chef Horst Seehofer wissen, als er in der Pressekonferenz alle Mitarbeiter lobte. Für einen kurzen Moment sah Seehofer aus, als falle er in Ohnmacht. Dann kam die Antwort sehr nachdrücklich: "Franz-Josef-Strauß-Haus!"

ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz darüber, wie SPD-Chef Martin Schulz die Kritiker seiner Partei an einer großen Koalition überzeugen kann.
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Das wird Schulz sich merken, er sitzt ja demnächst mit CSU-Ministern in einer neuen großen Koalition – wenn alles nach Plan weiter läuft. Fürs Erste konnten Merkel, Seehofer und Schulz am Freitag das Erreichen eines wichtigen Etappenziels verkünden: Die Sondierungen sind abgeschlossen, die Verhandler aller drei Parteien empfehlen ihren Gremien die Aufnahme von Koalitionsgesprächen.

Schulz: "Hervorragende Ergebnisse"

"Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", sagte Schulz. 28 Seiten lang ist das Papier, auf das sich die Chefs von CDU, CSU und SPD verständigt haben.

Zwar gehe es Deutschland gut, wird in der Präambel konstatiert. Das Wahlergebnis vom 24. September habe aber gezeigt, "dass viele Menschen unzufrieden waren". Und weiter: "Daraus werden wir die entsprechenden Schlüsse ziehen. Wir wollen sichern, was gut ist, aber gleichzeitig den Mut zur Erneuerung und Veränderung beweisen."

Gleich zu Beginn des Papiers bekennen sich alle drei Parteien zu Europa. Die EU brauche "eine Erneuerung und einen neuen Aufbruch". Dafür soll es auch mehr Geld aus Deutschland geben. Im Papier steht: "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann: Dafür werden wir bei der Erstellung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens Sorge tragen."

Lob aus Brüssel und Paris

Aus Brüssel kam prompt Lob von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Das ist ein sehr erheblicher, positiver, konstruktiver, zukunftsorientierter, zielführender Beitrag zur europapolitischen Debatte. Ergo bin ich vollumfänglich zufrieden, aber glücklich bin ich in der Politik nie."

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich erfreut und sagte: "Heute früh haben wir positive Nachrichten aus Deutschland erhalten." Er wünsche sich, dass in den Koalitionsverhandlungen "ein positives Ergebnis herauskommt mit einer starken Kanzlerin".

Turbulente Momente bei Verhandlungen

Merkel bezeichnete das Sondierungsergebnis als "Papier des Gebens und Nehmens". Gefragt, wo denn darin ein Aufbruch zu finden sei, antwortete sie: "Ein Aufbruch für Europa, ist auch ein Aufbruch für Deutschland. Beides ist für uns unzertrennbar verbunden." Dass die letzte Nacht nicht einfach war, lässt sich den Worten von Schulz entnehmen. Es habe "turbulente Momente" bei den Verhandlungen gegeben, sagte er. Aber: "Auf der Kippe standen sie nicht."

Auf Schulz wartet jetzt noch eine schwierige Aufgabe. Er braucht am 21. Jänner das Ja des SPD-Parteitages für Koalitionsverhandlungen. Vor allem die Jusos legen sich quer, aber auch der mächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen ist skeptisch. Im SPD-Vorstand stimmten sechs von 40 Mitgliedern am Freitag gegen Koalitionsverhandlungen, bei CDU und CSU waren die Voten einstimmig dafür.

Schulz wird kommende Woche bei den Genossen noch Überzeugungsarbeit leisten. Er wünsche ihm "ohne Ironie" alles Gute, sagte Seehofer am Freitag zu Schulz. Gibt es von der roten Basis am 21. Jänner grünes Licht für Koalitionsgespräche, dann will Merkel diese rasch führen und am besten beenden, "bevor Fasching kommt". Das wäre bereits nach der ersten Februarwoche. (Birgit Baumann aus Berlin, 12.1.2018)