Wien – Man weiß es von frühkindlichen Weihnachtserinnerungen: Das Warten vor geschlossenen Türen erhöht die Vorfreude. Jene zum Großen Saal des Konzerthauses wurden am Samstag erst mit Verspätung geöffnet, danach durften 2000 Musikinteressierte noch dem Cembalostimmer bei der Arbeit zuhören. Aber dann ging’s los.

Wenn Teodor Currentzis Musik macht, dann ist das selten business as usual. Bei seinem Konzert mit der Came rata Salzburg hatte der griechische Freigeist ungewöhnliche Werke im Angebot: Alfred Schnittkes erstes Concerto grosso, 1977 uraufgeführt, und Frank Martins gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entstandene Petite Symphonie Concertante. In Anlehnung an ein bald beginnendes Festival des Klangforum Wien könnte man sagen: festliche Stunden Alter Musik für die Zuhörer.

Dirigent Teodor Currentzis
zielt ab auf Steigerungen.
Foto: Julia Wesely / Wiener Konzerthaus

Schnittkes Concerto grosso ist als ein großartiges Werk zu beschreiben, das wild-virtuos zwischen Zeiten und Stilen, E und U, zwischen tonal, atonal und mikrotonal irrlichtert: Die Musikwissenschaft hat für solches ein Archivregal mit der Aufschrift "Polystilistik" eingerichtet. Mit Löwenmähne und Mut stürzte sich Geigensolist Andrey Baranov in die Zeitreisen, sein Kollege Gregory Ahss tat es ihm gleich. Das gigantische Raumvolumen des Großen Saals und die teilweise aufgesplitterte Kompositionsweise des Werks brachten es mit sich, dass Dringlichkeit und Intensität leicht unterbelichtet blieben, auch agierten die tiefen Streicher der Camerata etwas lasch.

Schlicht, karg und von Streicherseite relativ vibratoarm wurden dann Mahlers Kindertotenlieder interpretiert; auch Solistin Ann Hallenberg nahm sich zurück. Zum Weckruf wurde Frank Martins Petite Symphonie Concertante. Die Streicher der Camerata musizieren stehend, in zwei kompakten Gruppen: Sofort war deutlich mehr Power da. Currentzis animierte zu intensiven Steigerungen und beglückenden Erschlaffungen, reanimierte die romantischen Seelenwinkel des Werks in glühender Weise. Begeisterung. (Stefan Ender, 14.1.2018)