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Der Winter ist auch in Amsterdam kalt und grauslich. Doch hier fährt man trotzdem mit dem Rad.

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Ja eh: Amsterdam als Radstadt zu erwähnen ist mäßig originell. Andererseits muss man das Rad so nicht erst neu erfinden, wenn es um Radfahren und Stadt geht: Radlobbyisten strahlen, wenn sie von den 800.000 Amsterdamern mit ihrer Million Fahrrädern reden. Sie jubeln bei der Erwähnung des 50-prozentigen Radanteils am "modal split". Sie loben (Auto-)Fahrverbote, Pollerpalisaden sowie hohe Parkgebühren (ausgenommen bei E-Autos) als Steuerungsinstrumente. Sie jauchzen, weil Autofahrer Radfahrer in engen Gassen nicht krampfhaft überholen. Und haben mit jedem Punkt recht.

Schönwettermobilität

Doch die Freude über eine Politik, die Blechfetischgeplärre ignoriert, verstellt den Blick auf etwas, das nicht verordnet werden kann: das (Radfahren-)Wollen nämlich. Wollen setzt Glauben voraus. Der fehlt in Österreich: Hier gilt Radfahren immer noch als Schönwettermobilität. Bei Wind, Regen, Graupel, Nebel, Schnee kann man doch unmöglich fahren! Wenn doch, dann ausstaffiert und gewappnet, als ginge es quer durch Grönland.

Amsterdams Herbstwinter ist aber ebenso nass, kalt, windig, trüb und "wäääh" wie der in Wien. Dennoch radelt die Stadt. Ganzjährig und kaum anders adjustiert als zu Fuß: Man tut. Und siehe da: Es geht.

Was Amsterdam zur Radstadt macht, ist neben Politik Pragmatismus. Ein Stück Mentalität: Energie, Fantasie und Zeit, die ein Wiener aufs Jammern verwendet, steckt man hier in Lösungen. Darum ist Amsterdam längst am Ziel, während Wien noch überlegt, was alles ein Problem sein könnte. Nicht nur beim Radfahren. (Thomas Rottenberg, 18.1.2018)