Lugano – Fettsäuren spielen für das Wachstum von Prostata-Tumorzellen eine wichtige Rolle. Um zu wachsen und sich zu vermehren, sind Tumorzellen wie ein Auto auf Treibstoff (Metaboliten) angewiesen. Welche dieser Metaboliten Krebszellen aber effektiv benötigen, war bisher unbekannt. Ein Team des Forschungsinstituts für Onkologie (IOR) der Universita della Svizzera italiana (USI) hat nun einen der Wachstumsmechanismen identifiziert.

Laut der Theorie des Medizin-Nobelpreisträgers Otto Warburg sind Tumorzellen in erster Linie auf eine vermehrte Glukosezufuhr angewiesen, um ihr Wachstum unter Umgehung des mitochondrialen Metabolismus zu unterstützen. Das Mitochondrium fungiert quasi als Elektrizitätskraftwerk und liefert die für das Überleben der Zellen notwendige Energie.

"Anders als diese fast ein Jahrhundert lang geltende Hypothese zeigt unsre Entdeckung, dass die Prostata-Tumorzellen gerade auf das Mitochondrium angewiesen sind, nicht weil dieses Energie produziert, sondern weil es in der Lage ist, einen spezifischen metabolischen Prozess zu regulieren", sagte Andrea Alimonti, der Direktor des Forschungsinstitutes.

Tumorzellen bilden Lipide

Das Mitochondrium ist insbesondere fähig, über einen Enzymkomplex mit dem Namen PDC die Fettsäuresynthese (Lipogenese) zu regeln. Die in der Fachzeitschrift "Nature Genetics" veröffentlichte Studie zeigt, dass Prostata-Tumorzellen selbst bei erhöhter Glykolyse nicht wachsen und metastasieren können, wenn sie nicht fähig sind, effektive Lipide zu produzieren.

Die Wissenschafter haben in Zusammenarbeit mit anderen Forschungszentren in der Schweiz, Spanien und England entdeckt, dass der Enzymkomplex PDC in den Krebszellen um das Zehnfache aktiver ist als in einer normal wachsenden Zelle. Die Tumorzellen bilden daher sehr viele Lipide.

Bekanntlich kann eine an Fettstoffen reiche Diät das Prostata-Krebsrisiko begünstigen. Übergewichtige haben ein höheres Risiko, an dieser Art von Tumor zu erkranken. Die Treibstoffwirkung von Lipiden bei der Tumorbildung ist jedoch nie ganz geklärt worden.

Unerwartete Wege

Die Entdeckung der Tessiner Forscher kann unerwartete Wege zu allfälligen Krebstherapien eröffnen."Wir haben eine Reihe von pharmazeutischen Wirkstoffen identifiziert, die in der Lage sind, selektiv – in verschiedenen Experimentalmodellen – das mitochondriale Enzym zu hemmen, welches für das Tumorwachstum verantwortlich ist", so Alimonti. Gebremst wird dadurch auch die Fettsäuresynthese, aber ohne die normalen Zellen zu schädigen.

Das Forschungsergebnis besagt allerdings nicht, dass Tumorpatienten sich einer strikten Diät unterziehen sollten. "Dies wäre im Übrigen schädlich", so Alimonti. Eine Reduktion des Fettes in den Krebszellen lasse sich nur mit spezifischen Arzneimitteln erzielen, die den Stoffwechsel der Tumorzellen hemmen. (APA, 17.1.2018)