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Fräulein (J. Wolff) und Freiherr (F. Hohnloser) werden ein Paar.

Foto: Picturedesk / Andreas Friess

Wien – Die Auster ist ein einerseits dienstbares Ding. An ihrem Sitz im Ozean filtert sie das Wasser. Man kann ihr also wenig vorhalten. Doch beim Verzehr fällt sie in der Regel den Habenden zu. In Belang sozialer Gerechtigkeit steht die Muschel also – schuldlos – auf der falschen Seite. Im Wiener Theater Drachengasse wird sie zum Feindbild. Ausstatterin Elisabeth Weiß hat der Kostbarkeit einen kleinen gleißenden Schrein gebaut. Regime der Auster heißt die sechste Stückentwicklung des YZMA-Theaterkollektivs.

Das tritt in zwei Handlungssträngen auf. Einmal als Kutten tragende Gesellschaft, die zum Einstand die Regeln von Angebot, Nachfrage und Marktmanipulation erlernt. Der Getreidehandel ist ein besonders perfides Spielfeld, weil so elementar zum Überleben. Später werden aus den Fäusten imaginärer Körner duftende Semmeln für ein gefräßiges Maul.

Im Zentrum des anderen Strangs steht eine transvestitisch-orientalisch anmutende Steuerberaterin (Florian Haslinger). Zu Mandarinen hegt sie ein nicht minder exzessives Verhältnis denn zu Ohrschmuck. Im Bühnenhinterzimmer berät sie einen steuerschonwilligen Freiherrn (Felician Hohnloser) und ein armes Fräulein (Johanna Wolff). Wir sind per Livevideo (Karl Börner) dabei.

Liebe und Ausschlag

Dass die beiden sich verlieben und die Güter ehelich zusammenlegen werden, ist ein Glücksfall für das Stück (Regie: Milena Michalek). Denn zwischen dem Hypochondrischen und der Herzensguten entsteht so etwas wie der Zauber und Sog einer Geschichte: Sie habe keinen Handschuh, ob sie sich eine Socke überziehen solle? Nein, er trage seinen ja nur wegen eines Ekzems. Bravo dafür!

Da YZMA eine Handlung aber unterbinden will, torpediert es sie mit Sprachspielerei: Gleichklänge, Fragmentierung und Buchstabenverschiebungen sollen stattdessen produktiv werden und assoziative Felder erschließen. Die Darsteller bewältigen das gemeinschaftlich erarbeitete Textwerk in eindreiviertel Stunden bravourös.

Die satirisch überspitzten Kapitalismusanklagen sind aber neben wohlmeinend ermüdend moralisch. Altbekannt werden sie verbal hyperventiliert nicht offenbarender und eindrücklicher. Das frustriert trotz einiger szenisch origineller Ideen. Lob dem strapaziösen Spieleinsatz! (wurm, 16.1.2018)