Fischhändler Suat Takan kann sich seiner Kunden auch als Wirt kaum erwehren.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Messermuscheln, mit Knoblauch und Schalotten sautiert und mit Wein abgelöscht sind von tadelloser Frische.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Suat Takan kam vor bald 20 Jahren aus Antalya nach Wien, begann im Nordsee Donauzentrum als Abräumer, war drei Jahre später Filialleiter und wechselte auf den Naschmarkt. Irgendwann sperrte er das An-Do Fisch am Yppenplatz als Geschäftsführer auf. Seit 2013 ist der Mann mit einem Fischstandl auf dem Kutschkermarkt selbstständig. Außerordentlicher Fleiß, beeindruckendes Fachwissen, unerschütterliche Freundlichkeit und Zugewandtheit gepaart mit Schmäh – wer diese Qualitäten in sich bündeln kann, der lässt dem Erfolg kaum eine Chance, sich nicht einzustellen. Längst generiert Takan den Hauptumsatz auf acht Sitzplätzen, mit frisch Gegrilltem und Meeresfrüchten samt passenden Kaltgetränken.

Seit Mitte Dezember hat er zusätzlich ein Restaurant, wenige Straßen weiter an der Kreuzung Gymnasiumstraße und Haizingergasse. Die Hütte wurde still und heimlich aufgesperrt und ist, trotz beträchtlicher Kubatur, vom ersten Tag an ausgebucht – und das in einer Gegend, die unter Gastronomen als Sibirien berüchtigt ist. Gleich beim Eingang lockt die Fischvitrine mit mächtigen Kaisergranaten und Carabineros, mit Seezunge und Steinbutt, Oktopus und Messermuscheln, kapitalen Wolfsbarschen und Goldbrassen, die vorzugsweise in Salz gebacken werden. Rechts davon die Schank und ein Schaffel mit gestoßenem Eis und Austern, davor ein paar Stehtische, an denen Stammtrinker sich zu Prosecco vom Fass und Taittinger an elaborierten Sandwiches mit gegrillter Jakobsmuschel oder Calamari, Roastbeef oder Thunfischtartare laben.

Ohne Speisekarte

Das Restaurant ist im linken Trakt. Wie auf dem Markt verzichtet Takan auch hier auf eine Speisekarte – was da ist und wie es in der Küche vorgerichtet werden könnte, wird bei Tisch besprochen. Gemischte Vorspeisen scheinen Pflicht zu sein: ein Teller Lachstartare mit Forelleneiern und Dill zum Beispiel, fein geradelte Oktopusarme in papriziertem Öl, Thunfisch-Carpaccio mit Wakame, Sesamöl und Wasabi oder ein sehr gefälliges Thunfischtartare mit Avocado und Koriander. Gillardeau-Austern, von seidigem Biss und zart salziger Cremigkeit, sind herausragend, die Messermuscheln, mit Knoblauch und Schalotten sautiert und mit Wein abgelöscht (siehe Bild), von tadelloser Frische. Umso indiskutabler wirkt das dazu servierte Brot, ein inferiores, dünn aufgeschnittenes Aufbackbaguette, das in Aussehen, Konsistenz und Geschmack an verregneten Karton erinnert und einen augenblicklich zum Glutenallergiker mutieren lässt. Doch der Chef mimt Reue und kündigt Nachhilfe bei Standlnachbarin Irene Pöhl an. Die wäre auch die Richtige dafür – ein besseres und breiteres Sortiment beglückender Brote als das vom Pöhl-Stand wird man im Land kaum finden.

Großer Fisch

Zum Hauptgang empfiehlt sich Fisch im Ganzen – hier noch mehr als sonst. Goldbrasse landet, ebenso wie Seezunge, auf dem Plattengrill und kommt außen knusprig, an der Gräte souverän saftig zu Tisch, eindeutig höheres Grillmanagement. Am Nebentisch wird derweil ein großer Branzino aus dem Salz geschlagen. Die rosa schimmernde Gräte lässt auch hier auf eitel Wonne schließen. Im Vergleich fällt die Portion Wolfsbarschfilets ab: zu forsch, geradezu bitter gebraten, und mit erst angekokeltem, dann in dünnem Sud verkochtem Fenchel wenig aufmerksam kombiniert. Auch das Selleriepüree zu den Jakobsmuscheln ist von eher derber Art. Man möchte sich wünschen, dass die Küche ihre Qualität und Konzentration auch den Zuspeisen zukommen ließe – dann könnte das hier eine der allerersten Adressen für unkomplizierten Fischgenuss werden. Wer Takan erlebt, der ahnt, dass es bis dahin nicht lange hin sein wird. (Severin Corti, RONDO, 19.1.2018)

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