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Es ist vor allem die Bikinirunde, die die Gemüter erhitzt.

Foto: dapd/Ashwini Bhatia

Tenzin Paldon setzt sich die Miss-Tibet-Krone 2017 auf.

Foto: Lobsang Wangyal

Die Miss-Tibet-Krone ist aber nur mäßig begehrt. Oft gab es lediglich eine Teilnehmerin.

Foto: Lobsang Wangyal

In Tibet drehe sich Schönheit nicht um Äußeres, sagte sogar eine Teilnehmerin am Miss- Tibet-Wettbewerb 2011. "Tibetische Schönheit kommt von innen", erklärte Tenzin Khenchoe. Im indischen Dharamsala teilen viele diese Meinung. Thinley Kelsang etwa sagte zu CNN: "Buddhismus fokussiert auf innere Schönheit und nicht auf deine Haut oder einen zierlichen Körper." Thinley ist 67 und lebt in Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lama und der tibetischen Exilregierung. Seit 2002 ist es auch Austragungsort von Miss Tibet.

An Kritik hat es dem Wettbewerb noch nie gemangelt. Nun hat der Veranstalter Lobsang Wangyal verkündet, dass die 16. Auflage des Schönheitscontests im Juni in New York stattfinden werde und nicht mehr in dem Himalaya-Ort. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass das an der kontroversen Bikinirunde liege.

Wangyal sagt dazu dem STANDARD: "Das ist nicht wahr. Als Direktor wollte ich die Veranstaltung weitergeben, weil ich den Bewerb schon seit 15 Jahren produziere. Ich dachte, eine Abwechslung wäre nett. Weil ich aber niemanden finden konnte, habe ich die Organisation ausgegliedert." Und da trat die New Yorker Organisation Engage Entertainment auf den Plan, die unter anderen der Tibeter Sonam Wangdue leitet.

Bikinirunde zu freizügig

Und doch werden viele in Dharamsala aufatmen, dass die jungen Tibeterinnen nicht mehr in ihrem Ort im Bikini über den Laufsteg stolzieren. Der Druck aus der Community war immer groß.

Bikini-Wettbewerbe sind in Dharamsala nicht gern gesehen. So auch 2011.
Foto: AP_Ashwini Bhatia

Und das, obwohl der Wettbewerb eigentlich genau das propagiert, wofür die Exilgemeinde mit ihren Politaktivisten und NGOs kämpft: Tibet soll international als eigene Nation wahrgenommen werden. Seitdem die Volksbefreiungsarmee in den 1950ern in Tibet einmarschierte, ist das Hochplateau eine Provinz Chinas. Der Dalai Lama floh 1959 ins indische Exil.

Nationaler Wettbewerb ohne Staat

China hat eine Miss-Wahl, Indien hat eine Miss-Wahl, und Tibet sollte auch eine haben, lautet die Überzeugung von Organisator Wangyal: 2002 hob er den Wettbewerb aus der Taufe, um "internationale Aufmerksamkeit auf die Misere der Tibeter zu bringen, die im von China besetzten Tibet leben". Mitmachen können alle Tibeterinnen, die Steuern an die Exilregierung zahlen, zwischen 17 und 25 Jahre alt, größer als 165 Zentimeter, ledig und kinderlos sind.

Auch wenn es darum geht, die Schönste im Exil zu finden: Der Wettbewerb war immer auch politisch. So präsentiert sich die Miss Tibet immer vor tibetischer Flagge. 2012, als die Selbstverbrennungen von Tibetern ihren Höhepunkt erreichten, wurde der Bewerb abgesagt, um derer zu gedenken, die für Tibet gestorben waren.

Dabei fand der erste Miss-Tibet-Bewerb in Lhasa statt, organisiert 1991 von Chinas kommunistischer Partei. Nicht eine unabhängige Nation Tibet, sondern Tibet als eine der 56 "Minderheiten Chinas" wurde damit propagiert. Ursprünglich sollte die Gewinnerin eine Reise nach Hongkong gewinnen. Das erlaubte die kommunistische Parteiführung dann doch nicht, so bekam sie einen Pelzmantel. 25 junge Frauen traten an.

Oft nur eine Teilnehmerin

So viele hat es bei Wangyals Wettbewerb nie gegeben. Mit neun Teilnehmerinnen war der Bewerb im Vorjahr der am besten besetzte. Meistens waren es aber nur drei bis sechs Kandidatinnen. Viermal trat überhaupt nur jeweils eine Frau an.

Die Bikinirunde kam im konservativen Dharamsala nicht gut an. Auf der offiziellen Miss-Tibet-Webseite finden sich User-Kommentare wie "Es sollte keine Bikinirunde geben. Sie lenkt vom tibetischen Anliegen ab und wirkt zu westlich." Auch Wangyal, der sich selbst in einem Film als "tibetischen Donald Trump" bezeichnete, hat nicht nur Freunde in Dharamsala. Wer also bei seinem Wettbewerb mitmacht, muss einiges an Kritik einstecken.

Nicht nur der Miss-Tibet-Wettbewerb lässt die Emotionen in Dharamsala aufwallen. Einen ähnlichen Aufschrei gab es 2013 beim Tibet-Filmfestival. In Dharamsala hingen Plakate, die eine Tibeterin in Marilyn-Monroe-Pose über einem Lüftungsschacht zeigte, und zwar im traditionellen tibetischen Kleid.

Die Tibeterin, die für das Tibet-Filmfestival in Monroe-Pose Bein zeigte, erntete viel Kritik.
Foto: Hochspannung

Wangyal will mit Konservatismus brechen

Wangyal will mit dem Konservatismus in Dharamsala brechen. "Es gibt eine Tendenz, Tibeter bloß auf ihren Kampf gegen China, auf Mönche und Nonnen, Nomaden und Yaks zu reduzieren", schreibt er auf der Website.

"Weil die tibetische Flüchtlingssituation so ernst ist, gibt es eine Tendenz anzunehmen, dass junge tibetische Frauen sich nur mit traditionellen Aktivitäten beschäftigen können." Miss Tibet hingegen wolle moderne, junge Tibeterinnen fördern.

"Wir haben kein Land"

Doch genau das ist der Kern der Kontroverse: Was ist Tibet? Der Wettbewerb eckt gegenüber China an, gegenüber tibetischen Feministinnen und den Konservativen. Immer wieder steht die Forderung nach dem Erhalt traditioneller Werte im Vordergrund. Und doch kommt es auch zu Schulterschlüssen. Palden Gyatso, ein Mönch, der 30 Jahre in chinesischer Gefangenschaft verbrachte, hielt die Laudatio für die Miss Tibet 2004.

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Der Mönch Palden Gyatso hielt die Laudatio 2004.
Foto: AP/ASHWINI BHATIA

Wangyal freut sich auf eine "spektakuläre Show" in New York, die nun "vom kleinen Dorf im Himalaya in eine der weltweit größten Metropolen" übersiedelt. (Anna Sawerthal, 17.1.2018)