In den Slums nahe den Bananenplantagen leben meist Arbeiter haitianischer Abstammung. Neben existenziellen Problemen fürchten sie ständig Abschiebungen nach Haiti.

Foto: Julia Schilly

Die gelbe Frucht trägt kräftig dazu bei, dass der Staat ein starkes Wirtschaftswachstum der Karibikregion hat.

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Joner Doreurs rechnet vor: Als Erntehelfer auf der Bananenplantage verdient er etwa fünf Euro pro Tag. Er lebt mit seiner Frau Emanisse, seiner zweijährigen Tochter und seinen Eltern in einem rund 20 Quadratmeter großen Haus ohne Fenster und mit rostigem Wellblechdach in einem Batey. Das ist einer der zahlreichen Slums für Feldarbeiter in Monte Cristi im Norden der Dominikanischen Republik. Die Familie braucht rund 25 Euro pro Monat für Reis, Bohnen und Mais. Das Kind hat eine chronische Krankheit und einen künstlichen Darmausgang – ein lebenswichtiger Beutel kostet fast sieben Euro. Die Bezahlung seiner Frau als Einpackerin ist noch schlechter.

Vor kurzem hat sich der Druck auf die Familie verschärft. Doreurs' Arbeit werde nicht mehr gebraucht, hieß es. Ein Grund wurde nicht genannt. Als er den restlichen Lohn einforderte, wurde er weggejagt. Nachzufragen traut er sich nicht mehr. "Sie schlagen uns", sagt er und blockt das Thema ab. Doreurs' Geschichte steht für den Lebenslauf vieler Arbeiter mit haitianischen Wurzeln, die in der Dominikanischen Republik auf den Bananenplantagen schuften. Seine Eltern stammen aus Haiti, er wurde bereits in der Dominikanischen Republik geboren, hat aber keine Staatsbürgerschaft.

Abgeschoben vor Monatsende

"Das ist eine Art moderner Sklaverei. Es gibt keine Rechtsberatung, geringen Lohn, und oft werden die Arbeiter abgeschoben, bevor sie ihr Geld erhalten sollten", sagt Alice Bordaçarre von der NGO Action Aid France – Peuples Solidaires, die mit 19 Unternehmen zusammenarbeitet. Im Rahmen der "Make Fruit Fair"-Kampagne werden die Einhaltung der Menschenrechte und von Umweltstandards sowie die Garantie eines Mindestlohns eingefordert. Dazu werden auch Supermärkte und Unternehmen in die Pflicht genommen.

Vor allem bei Bananen gibt es Missstände, viele landen in europäischen Supermarktregalen: Laut UN-Welternährungsorganisation kommt die Hälfte der Bananen in der EU aus der Dominikanischen Republik. 1,1 Prozent gingen 2012 nach Österreich. Die gelbe Frucht trägt kräftig dazu bei, dass der Staat das stärkste Wirtschaftswachstum der Karibikregion hat. 2016 war sie mengenmäßig das Hauptexportgut der Dominikanischen Republik, berichtet die UN. Bei Biobananen werden 55 Prozent der Weltproduktion erzielt.

Anders sieht die Situation für die Feldarbeiter aus. Laut Fairtrade Latin America and the Caribbean (Clac) sind rund 67 Prozent der Arbeiter auf Bananenplantagen haitianischer Abstammung. Besonders für sie spitzt sich die Lage seit 2013 zu, berichtet Bordaçarre. Damals entschied der Verfassungsgerichtshof, dass neue Anforderungen für eine dominikanische Staatsbürgerschaft gelten. Das Urteil galt rückwirkend für jeden nach 1929 Geborenen, der nicht mindestens einen dominikanischen Elternteil hatte. Kinder, Enkel und sogar Urenkel von Einwanderern waren betroffen, Menschen, die noch nie in Haiti waren und kein Französisch sprechen.

Laut einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2013 wird die Zahl der haitianischen Migranten in der Dominikanischen Republik auf rund 668.000 geschätzt. Die Zahl wird von NGOs angezweifelt und als zu niedrig eingeschätzt.

Als Antwort auf einen internationalen Aufschrei über die prekäre Situation der Betroffenen verabschiedete die dominikanische Regierung ein Einbürgerungsgesetz: Zwischen Mai 2014 und Februar 2015 konnten Menschen, die zwischen 1929 und 2007 von ausländischen Eltern geboren wurden, die Staatsbürgerschaft beantragen. Action Aid kritisiert diese kurze Frist, mangelnde Information über Formalitäten und hohe Kosten. So überrascht es nicht, dass sich nur 8755 Menschen registrieren ließen.

Pässe monatelang unterwegs

Gleichzeitig haben die Behörden von Juni 2014 bis Juni 2015 einen Plan für Ausländer eingeführt, um deren Status zu legalisieren. 288.466 undokumentierte Immigranten meist haitianischer Abstammung stellten einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis. Rund 10.000 erfüllten alle Anforderungen, nur ein paar Hundert erhielten Genehmigungen, die zudem nach ein bis zwei Jahren erneuert werden müssen. "Unsere Pässe sind monatelang unterwegs. Wir wissen nicht, ob unsere Genehmigung erneuert wird", sagt Doreurs.

Die Vorwürfe, dass mit dieser Situation Gewinn gemacht wird, sind gravierend. "Die Plantagenbesitzer teilen der Polizei mit, dass sich haitianische Arbeiter ohne Papiere auf dem Areal befinden", sagt Saint-Pierre Beaubrun von der NGO Garr. Diese Menschen würden dann knapp vor der Auszahlung des Lohns abgeschoben: "Das ist ein Geschäftsmodell."

Rückkehr mit leeren Händen

Garr arbeitet entlang der gesamten Grenze zur Dominikanischen Republik. "Wenn die Menschen an der haitianischen Grenze ankommen, brauchen sie zunächst Essen, Wasser, Bekleidung und eine Dusche. Sie kommen oft in verheerendem Zustand an", berichtet Beaubreu. Auch medizinische und psychosoziale Hilfe sei meist notwendig. Die Menschen kommen meist mit nichts außer der Bekleidung am Leib an. Sie sind beschämt, da sie nach Jahren im Ausland mit leeren Händen kommen. Hinzu kommen Gewalterfahrungen, besonders Frauen sind auf den Plantagen oft sexueller Gewalt ausgesetzt.

Garr ist an rund 100 Punkten der etwa 380 Kilometer langen Grenze tätig. Daher gibt es von unterschiedlichen Behörden und Institutionen stark divergierende Zahlen. Garr hat von Juni 2015 bis März 2017 rund 179.000 Menschen aufgezeichnet.

Wieso kommen trotzdem noch immer so viele Haitianer in die Dominikanische Republik? "In der Dominikanischen Republik wird wenigstens angeheuert", so Beaubrun.

Die Einwanderung hat sich seit "Goudou-Goudou" noch verstärkt. Die Lautmalerei meint das verheerende Erdbeben, das den Staat im Jänner 2010 verwüstete. Sagt man das Wort schnell hintereinander, klingt es wie das Rütteln und Rucken, das beim Erdbeben zu hören war.

Welche Hoffnung auf der Bananenindustrie in Haiti liegt, zeigte auch der Wahlkampf des Präsidenten Jovenel Moïse, in dem er auf die gelbe Frucht fokussierte. "Ich bin der Kerl, der euch die Bananen bringt", war sinngemäß einer seiner Hauptslogans im Wahlkampf. Denn in Haiti gibt es kaum industrielle Landwirtschaft, Tourismus oder Jobs im Dienstleistungsbereich. Im Ballungsraum von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince leben laut Stand 2010 rund 2,2 Millionen Menschen. Ein Großteil lebt in den Slums auf den Hängen, die von vielen Punkten der Stadt gut zu sehen sind.

So machen sich schon Kinder ab 13 Jahren – meist mit Einwilligung der Eltern – auf den Weg über die Grenze, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen oder schlicht nach Überleben.

Existenzminimum gefordert

Laut Action Aid liegt das Existenzminimum der Arbeiter bei rund 234 Euro pro Monat. Der gesetzliche Mindestlohn liege jedoch zwischen rund 94 und 100 Euro auf Fairtrade-Plantagen, die am besten zahlen. Zudem gebe es oft Gehaltsunterschiede zwischen dominikanischen und haitianischen Arbeitern. Dadurch, dass die Haitianer für besonders wenig Geld bereit sind zu arbeiten, entstehen neue Konflikte.

Die Grenze setzen die Preise am Bananenmarkt. Vor allem Großbritannien gilt im Moment als Bremse. Laut einem Bericht aus 2014 wurden 38 Prozent der Bananen aus der Dominikanischen Republik dorthin exportiert. Um Kunden zu gewinnen, drücken Supermärkte die Preise immer weiter nach unten. Intransparente Lieferketten und unfaire Handelspraktiken verhindern Verbesserungen in den Anbauländern. Daher werden im Rahmen der Kampagne auch Regierungen aufgefordert, einen Machtmissbrauch durch Supermärkte zu regulieren. (18.1.2018)