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Die Annahme eines Jobs verringert Freizeit und zahlt sich überdies nicht immer aus. Vor allem Kinder machen einen Unterschied.

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Wien – Geht es nach dem Willen der Regierung, gibt es einiges zu tun im österreichischen Sozialsystem. Dieses ist laut Regierungsprogramm "in eine Schieflage geraten". Die Frage nach dem Warum wird dort prompt beantwortet. "Der Einkommensunterschied zwischen arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen ist so gering, dass es nur noch wenige Anreize gibt zu arbeiten." Gut möglich, dass die Autoren von einer bisher unveröffentlichten Studie beflügelt wurden, die diese These – mit Abstrichen – stützt.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat vor gut einem Jahr eine Untersuchung darüber angestellt, wie sich Steuern und Transfers auf die Anreizstruktur auswirken. Genau genommen handelt es sich um ein Update einer größeren Studie von 2014, bei der auch die Verteilungswirkung von Abgaben und staatlicher Unterstützung betrachtet wurde. Mit der Aktualisierung wurde auf die in der Zwischenzeit veränderten Löhne und die in diesem Jahr in Kraft getretene Steuerreform Bedacht genommen.

Schwachstellen im System

Etwas vereinfacht gesagt, kommen die Studienautoren zu dem Ergebnis, dass das Wechselspiel zwischen Sozialleistungen und Abgabenlast im Großen und Ganzen passt, aber auch einige Schwachstellen bestehen. Die kommen insbesondere ins Spiel, wenn neben Arbeitslosengeld weitere Transfers bezogen werden.

Die wichtigste Unterstützung dabei sind die Familienleistungen, wobei die Untersuchung nur Zuschüsse des Bundes erfasst. In der Realität kommen bei einkommensschwachen Haushalten oft noch Zuwendungen der Bundesländer und Gemeinden hinzu, beispielsweise Wohnbeihilfen oder Heizkostenzuschüsse.

Kinder als Einflussfaktor

Für einige der Transfers gilt, dass sie sinken oder wegfallen können, wenn ein Arbeitsloser durch Jobannahme ein höheres Einkommen erzielt. Dabei wird auch berücksichtigt, dass in der Arbeitslosigkeit oder Notstandshilfe einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen werden kann, ohne Einbußen bei der Versicherungsleistung in Kauf nehmen zu müssen. Das waren laut einer Anfragebeantwortung des Sozialministeriums 2016 mehr als 40.000 Personen.

Das IHS hat dazu zwei Fälle verglichen. Im ersten Beispiel geht es um ein Paar, bei dem der Mann Arbeitslosengeld bezieht, die Frau nicht. Rechnet man Steuer und wegfallende Transfers zusammen, ergibt sich bei einem Medianeinkommen, dass sich die Rückkehr des Mannes in die Erwerbstätigkeit erst ab einem Job mit 28 Stunden in der Woche auszahlt.

Manche Schaufel findet mangels finanzieller Abgeltung keine Hand.
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Dabei wurde auf den mittleren Stundenlohn zurückgegriffen, der bei Männern 18,20 Euro und bei Frauen 14,75 Euro beträgt. "Eine Teilzeitbeschäftigung in geringerem Ausmaß ist entsprechend finanziell nicht lohnend", heißt es dazu in der Untersuchung.

Auch bei einer Annahme einer Stelle wurde dabei angenommen, dass der Stundenlohn dem Median (50 Prozent der Österreicher verdienen weniger, 50 Prozent mehr) entspricht. Wäre das Jobangebot schlechter bezahlt als das mittlere Verdienst – was bei Arbeitslosen nicht ganz unwahrscheinlich sein dürfte – müssten noch mehr Stunden angehängt werden, damit sich der Job auszahlt.

Stundenanzahl steigt

Beim zweiten Beispiel handelt es sich um ein Paar mit zwei Kindern im Alter von zwei und acht Jahren, wobei wiederum nur der Mann ein Einkommen aus Arbeitslosengeld bezieht. Wenn wieder von den Medianstundenlöhnen ausgegangen wird, müsste der Mann eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden in Kauf nehmen, damit sich gegenüber dem Status quo ein finanzieller Vorteil ergibt. Ohne Kinder sieht das IHS hingegen keine Systemschwächen, die gegen die Annahme eines Vollzeitjobs sprechen.

Stärker Anreize zur Arbeitsaufnahme gibt es in der Mindestsicherung, weil das Einkommen dort geringer ist. Paare ohne Kinder erzielen schon mit 23 Stunden Wochenarbeitszeit einen finanziellen Vorteil. Allerdings zeigt ein Blick auf die unteren Einkommensgruppen (genau genommen: das unterste Dezil), dass der Mann mit 36 Stunden annähernd einen Vollzeitjob benötigt, damit der Haushalt monetär bessergestellt ist als in der Mindestsicherung.

Ähnlich verhält es sich beim Paar mit zwei Kindern. Daraus zieht das IHS den Schluss: "Insgesamt bestehen also deutliche monetäre Anreize, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen und keine Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung mehr beziehen zu müssen. (Andreas Schnauder, 18.1.2018)