Eine verträumt unheimliche Zweisamkeit breitet sich aus: das Tanzpaar aus Christina Ciupkes und Ayse Orhons Stück "At Close Distance".


Foto: Bernhard Müller

Salzburg – Was tun in einer Atmosphäre anschwellend aggressiver Hasenfüßigkeit zwischen Ego-Shooting, Filter-Bubbles und Safe Spaces? Gerade weil das Symbol der Blase in diesen Zusammenhängen Rückzug, Flucht und Verdrängung eines namenlosen Schreckens bedeutet, scheint es zum Markenzeichen der heutigen Kommunikationsgesellschaft zu werden. Darauf reagieren auch Künstlerinnen und Künstler – exemplarische Arbeiten dafür sind beim Salzburger Festival Performing New Europe aufgetaucht.

Schon die vorjährigen Wiener Festwochen hatten Beispiele – politisch-aktivistischer Art – auf Lager, unter anderem einen aufgeblasenen, moralisch reinen Gummi-Hamam. Andererseits dient die Blase bereits seit längerer Zeit als metaphorisches Motiv der zeitgenössischen Performance – wie etwa 2005 bei Paul Wenningers Installation cc cushion zu erfahren war. Und ein Werk der darstellenden Kunst kann sich insgesamt zur Blase verwandeln. Dann wird es, analog zur digitalen virtuellen Realität, "immersiv" genannt.

Performing New Europe ließ die Metapher an einem Tag in drei Varianten auftauchen: inszeniert von der deutschen Choreografin Christina Ciupke, ihrer Salzburger Kollegin Julia Schwarzbach und der Spanierin Maria Jerez. Zusammen gesehen wirkten Ciupkes Tanzduett, Schwarzbachs choreografische Performance und Jerez' installative Choreografie beinahe wie das analytische Modell einer sozialen Krise.

Unter dem Boden

Den Ausgangspunkt dafür bildete At Close Distance, eine zärtlich introvertierte Verhältnisbildung zwischen Christina Ciupke und Ayse Orhon: die verträumt unheimliche Zweisamkeit eines Paars von Frauen in Pullis und Strumpfhosen. Eine signifikante Steigerung ergab sich bei with us von Julia Schwarzbach mit Nic Lloyd. Hier liegt die Tänzerin schon zu Beginn unter einem Stück schwarzem Tanzboden verborgen, aus dem sie sich langsam herausschält. Ihr Partner versteckt sich zwischendurch in einer Blase aus milchiger Plastik-Abdeckfolie. Die radikale Wendung brachte dann Maria Jerez mit ihrer neuen Arbeit Yabba. Diese Performance zeigt gar keine menschlichen Körper mehr. Statt dessen bewegten sich vor einem faszinierten Publikum im Salzburger Republic ausschließlich verschieden geformte, mit Stoffen überzogene Wucherungen und Blasen in unterschiedlichen Größen.

Yabba erinnert an den US- Science-Fiction-Horrorfilm The Blob (deutsch: Blob – Schrecken ohne Namen) aus dem Jahr 1958, in dem ein blasengestaltiges Monster aus dem All seine anthropophagen Gelüste auslebt. Schockierende Botschaft des seinerzeitigen Werbetrailers: "It eats you alive!" Der Titel Yabba von Jerez' Arbeit wurde übrigens einer Figur aus Star Wars entlehnt: Jabba the Hutt, das ist eine Wucherung des Bösen als aufgeblähtes Nacktschnecken-Ungetüm.

Versteckte Performer

Vor zwei Jahren hatte Jerez eine kleinere performative Installation mit dem Titel Blob geschaffen, aus der Yabba als erweiterte Fassung hervorgegangen ist. Diese Installation blendet den Hollywood-Grusel aus. Jerez' vier Performer bleiben versteckt, ihre Präsenz in der einstündigen Objektchoreografie ist sozusagen "gegessen". Im übertragenen Sinn haben sich hier Filterblase und Safe Space in bunte, Menschen verdauende Monster verwandelt. Insgesamt bilden die drei Stücke eine gelungene kuratorische Verbindung.

Sie unterstreicht jenes in den Mehrdeutigkeiten der einzelnen Arbeiten geladene Motiv, das jeweils auf ein fundamentales gesellschaftliches Unbehagen deutet. Bei Ciupke und Orhan hat das Außen der Intimität zwischen den beiden Tänzerinnen etwas Bedrohliches an sich, bei Schwarzbach und Lloyd wird der Drang, sich in Kokons zurückzuziehen, illusionslos ironisiert. Und diese beiden Arbeiten könnten im Inneren einer der Jerez'schen Wucherungen stattfinden – unter den schillernden Hüllen einer namenlosen Angst. (Helmut Ploebst, 18.1.2018)