Mikl-Leitner verteidigt die Proporzregierung: "Der Wählerwille ist oberstes Gebot. Durch unsere Regierungsform wird der Wählerwille auch in der Regierung am besten abgebildet."

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STANDARD: Sebastian Kurz hat "Hetze gegen Reiche" beklagt. Halten Sie das auch für ein Problem?

Mikl-Leitner: Es ist generell ein Problem, wenn man Neiddebatten schürt.

STANDARD: Wie passt das zu Ihrer Rede beim ÖAAB-Bundestag 2011, in der Sie von Spitzenverdienern forderten: "Her mit dem Zaster, her mit der Marie"?

Mikl-Leitner: Man muss sich schon das ganze Zitat anschauen, ich habe die Spekulanten angesprochen. Heute würde ich es anders formulieren.

STANDARD: Sie geben im Wahlkampf sechs Millionen Euro aus, das ist seit 2017 die gesetzliche Obergrenze. Glauben Sie nicht, dass die Steuerzahler das Geld lieber anders eingesetzt sehen würden?

Mikl-Leitner: Wir haben die Obergrenze gesenkt, und es wird der kürzeste Wahlkampf aller Zeiten – und damit auch der billigste.

STANDARD: Im Bund liegt die Obergrenze bei sieben Millionen. Sollte ein Landtagswahlkampf nicht deutlich günstiger sein?

Mikl-Leitner: Mit Geld kann man sich ohnedies keine Stimmen kaufen. Entscheidend sind die Funktionäre, die für einen werben.

STANDARD: Dann könnte man ja umso sparsamer sein.

Mikl-Leitner: Unsere Obergrenze liegt auf dem gleichen Niveau wie in Wien. Es wird der günstigste Wahlkampf aller Zeiten.

Mikl-Leitner zu verschuldeten Gemeinden: "Es ist richtig, dass es noch einige Gemeinden gibt, die wir begleiten müssen."
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STANDARD: Niederösterreich ist hochverschuldet. Sie stellen dem entgegen, dass es auch Vermögenswerte gibt. Doch die Veranlagung der Wohnbaugelder hat nicht die erwünschte Rendite gebracht, das kostet Geld. Hat man aus den Fehlern gelernt?

Mikl-Leitner: Eine geringere Rendite ist ja immer noch ein Gewinn. Und ein Gewinn kostet kein Geld. Zu den Schulden: Einem Soll muss man schon auch immer das Haben gegenüberstellen: das Finanzvermögen des Landes. Und da liegen wir pro Kopf im Bundesländervergleich auf Platz vier. Und natürlich wurde auch viel investiert: Wenn man das Land heute mit Niederösterreich vor 30 Jahren vergleicht, weiß man: Da ist viel passiert.

STANDARD: Wohnbaugelder und Frankenkredite waren keine erfolgreichen Investitionen.

Mikl-Leitner: Bei den Wohnbaugeldern war die Verzinsung einfach geringer als erwartet. Und dennoch sind damit bis heute immerhin 1,2 Milliarden Euro ins Landesbudget geflossen. Das ist, wie wenn Sie Geld auf ein Sparbuch legen und statt fünf Prozent nur 2,6 Prozent bekommen.

STANDARD: Wie geht es weiter: Wollen Sie, wie Oberösterreich, in Richtung Nulldefizit?

Mikl-Leitner: Unsere Richtschnur ist der Stabilitätspakt. Das gibt uns auch einen Spielraum für Zukunftsinvestitionen, wie etwa die Breitbandinitiative.

STANDARD: Auch die Gemeinden sind hochverschuldet. Der Rechnungshof hat kritisiert, dass zwischen 2010 und 2014 alle Anfragen genehmigt wurden. Muss man da künftig mehr kontrollieren?

Mikl-Leitner: Wir sind auf einem guten Weg, aber es ist richtig, dass es noch einige Gemeinden gibt, die wir begleiten müssen.

STANDARD: Belastet waren die Gemeinden mit der Wahlrechtsnovelle, weil sie jeden Bürger mit Nebenwohnsitz auf sein Wahlrecht hin prüfen mussten. Wie sicher sind Sie, dass die Landtagswahl einer möglichen Anfechtung standhält?

Mikl-Leitner: Das Landesverwaltungsgericht hat empfohlen, hier eine nähere Definition der gesetzlichen Grundlage vorzunehmen, um einer Wahlanfechtung entgegenwirken zu können. Das hat der Landtag gemacht.

STANDARD: Aber wenn es darum geht, Rechtssicherheit zu schaffen, ist das ja offensichtlich schiefgegangen - wenn es etwa in einer Gemeinde fürs Wahlrecht ausreicht, ein Büro im Ort zu haben, und in der anderen Gemeinde nicht.

Mikl-Leitner: Selbst Peter Filzmaier hat der Änderung vor kurzem ein gutes Zeugnis ausgestellt. Ich unterstelle keinem Bürgermeister, dass er da nicht verantwortungsvoll gehandelt hat. Bis jetzt gab es nur eine Beschwerde, früher waren es hunderte.

STANDARD: In St. Pölten etwa sind alle Zweitwohnsitzer wahlberechtigt, in anderen Gemeinden werden hunderte gestrichen.

Mikl-Leitner: Es gibt eine gesetzliche Grundlage. Daran haben sich die Bürgermeister zu halten. Eine Wahlanfechtung kann man nie ausschließen, aber ich vertraue den Experten.

Kriminalität: "Die Zahlen sind sehr gut, dennoch müssen wir das subjektive Sicherheitsgefühl stärken."
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STANDARD: Laut SPÖ-Chef Kern könnten durch die geplante Ausweitung der Mangelberufe 150.000 Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern nach Österreich kommen. Wie sehen Sie die Regierungspläne?

Mikl-Leitner: 2017 sind aufgrund der Mangelliste nicht einmal 300 Personen nach Österreich gekommen. Bei meinen Betriebsbesuchen sehe ich: volle Auftragsbücher und Probleme, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Entweder wir schauen, dass wir qualifizierte Arbeitskräfte haben – oder Betriebe übersiedeln in die Nachbarländer.

STANDARD: Gleichzeitig gibt es Regionen mit bis zu elf Prozent Arbeitslosigkeit. Wie erklärt man das den Menschen?

Mikl-Leitner: Unsere Probleme bei der Arbeitslosigkeit sind im Mangel an Aus- und Weiterbildung begründet. Wir investieren deshalb 1,3 Milliarden Euro in einen Beschäftigungspakt.

STANDARD: Dennoch ist das in Wahlkampfzeiten schwer zu erklären: Einerseits schafft die Regierung die erst gestartete Aktion 20.000 ab, andererseits wird die Liste der Mangelberufe erweitert.

Mikl-Leitner: Die Menschen wissen, dass wir sie an der Hand nehmen, wenn sie Hilfe brauchen. Das zeigen uns auch Umfragen zur niederösterreichischen Landespolitik. 84 Prozent der Menschen vertrauen uns, dass wir eine gute machen. Und eine der wichtigsten Aufgaben, die wir haben, ist Arbeit sichern und Arbeit schaffen. Und deswegen sind mir die Arbeitslosen auch ein Herzensanliegen, vor allem die über 50-Jährigen. Wir haben die Initiative GemA 50+ (gemeinnützige Arbeitsüberlassung, Anm.), sie war auch Pate für die Aktion 20.000, ist aber wesentlich qualitätsvoller. Arbeitslose werden mit einem Coach begleitet und mit Weiterbildungsmaßnahmen gefördert, damit sie so rasch wie möglich am tatsächlichen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Das setzen wir jedenfalls fort.

STANDARD: Thema Sicherheit: Laut Kriminalstatistik 2017 ist die Zahl der Anzeigen rückläufig. Dennoch sollen bis 2020 in Niederösterreich 700 neue Planstellen für Polizisten geschaffen werden. Ist das notwendig?

Mikl-Leitner: Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, und als Landeshauptfrau liegt es in meiner Verantwortung, dass Niederösterreich sicher ist. Die Cyberkriminalität ist stark angestiegen. Daher gibt es die Vereinbarung mit dem Innenministerium, Stellen für 700 neue Polizisten zu schaffen.

STANDARD: Welche Bedrohung ist spürbar?

Mikl-Leitner: Die Zahlen sind sehr gut, dennoch müssen wir das subjektive Sicherheitsgefühl stärken. Zum Beispiel mit der Aktion "Gemeinsam sicher", bei der Gemeinden, Polizei und Vereine kooperieren und damit auch selbst einen Beitrag zur Sicherheit leisten.

Kontrolle in Niederösterreich: "Wir sind dem Landtag verpflichtet, und es gibt einen Landesrechnungshof. Die strengsten Kontrollore sind unsere Wähler."
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STANDARD: Nach der Wahl sollen Beschlüsse der Landesregierung öffentlich werden, sofern keine persönlichen Daten darin enthalten sind. Wären die Landesförderungen für die Dr.-Erwin-Pröll-Privatstiftung nach den neuen Regeln transparent gemacht worden?

Mikl-Leitner: Gleich zum Amtsantritt habe ich gesagt, dass mir Transparenz und Mitbestimmung wichtig sind. Deswegen haben wir das Demokratiepaket beschlossen, das die Stärkung der Minderheitenrechte und den Auftrag, alles in der Transparenzdatenbank zu melden, beinhaltet. Alles wird sichtbar sein, bis Herbst sind wir technisch mit der Meldung in die Transparenzdatenbank fertig.

STANDARD: Sollten es Grüne und Neos nicht in den Landtag schaffen, gibt es keine Opposition, dann sitzen alle Parteien in der Regierung. Das kann nicht in Ihrem Sinn sein.

Mikl-Leitner: Kontrolle ist mir wichtig: Wir sind dem Landtag verpflichtet, und es gibt einen Landesrechnungshof. Die strengsten Kontrollore sind unsere Wähler.

STANDARD: Ist es ein Makel der Proporzregierung, dass eine solche Situation überhaupt eintreten kann?

Mikl-Leitner: Der Wählerwille ist oberstes Gebot. Durch unsere Regierungsform wird der Wählerwille auch in der Regierung am besten abgebildet. (Marie-Theres Egyed, Sebastian Fellner, 19.1.2018)